„Warum schweigt ihr immer noch?“

Ayde Baran, Mutter des seit 51 Tagen hungerstreikenden Gefangenen Çetin Baran, klagt die Öffentlichkeit an: „Warum schweigt ihr immer noch?

Çetin Baran befindet sich seit dem 28. Januar im F-Typ-Gefängnis von Tekirdağ im unbefristeten Hungerstreik. Seine Mutter Ayde Baran berichtet, ihr Sohn sei entschlossen und guter Dinge. Er kritisierte aber die mangelhafte Herstellung von Öffentlichkeit und erklärte, man müsse jetzt wirksamere Schritte ergreifen.

Der 28-jährige Baran ist 2009 verhaftet worden und nach sieben Monaten im Jugendgefängnis Pozanti entlassen worden. Direkt nach seinem 18. Geburtstag wurde er erneut verhaftet. Seine Mutter erzählt: „Mein Sohn war noch ein Kind, da kam Çetins kleiner Bruder zu mir gerannt und sagte: ‚Mama die Polizei hat ihn mitgenommen.‘ Mein Sohn wurde aufgrund des Vorwurfs der Mitgliedschaft (in einer terroristischen Organisation) inhaftiert.“


Ayde Baran erzählt, dass ihre Familie aus Şirnex (Şırnak) nach Mersin vertrieben worden ist: „Wir kommen ursprünglich aus Elkê (Beytüşşebap) in der Provinz Şirnex. Sie zwangen uns in die Ferne zu ziehen. Wir waren nun weit unserer Heimat, aber der Staat ließ uns dennoch nicht in Ruhe. Da wir unsere Wurzeln nicht verleugneten, gerieten wir erneut ins Visier. Çetin besuchte die Schule bis zur Mittelstufe. Auch wenn wir ihn danach ins Gymnasium eingeschrieben hätten, so hätte er es vorgezogen, in der kurdischen Jugend aktiv zu sein. Er pflegte zu sagen, dass er nirgends anders eine solche Bildung genießen könne. Später fing er an, in einer Bäckerei zu arbeiten. Nachdem er mit dieser Arbeit begonnen hatte, sagte er zu mir: ‚Die Arbeit mit dem Teig ist ja so schwer, Mutter. Du hast für uns jahrelang Brot gebacken und wir wussten nicht, wie schwer das ist. Ab jetzt helfe ich dir.‘ Seitdem half er mir und backte Brot, wenn ich müde oder krank war. Çetin wurde mein Freund am Ofen.“

Çetin ist das dritte von sechs Kindern der Familie. Seine Mutter erzählt über ihn: „Er fragte micht immer über seine Vorfahren aus und wollte ihre Geschichten von uns erfahren. Deswegen war sein Großvater sein engster Freund. Er saß mit ihm am Morgen zusammen und hörte den Geschichten aus dem Dorf zu. Er stellte Fragen zur Geschichte.“

Es wird keinen Frieden geben, solange die Isolation nicht zerschlagen ist

Ayde Baran sagt, sie sorge sich um alle Gefangenen: „Heute befinden sich unsere Kinder und ihre Genossinnen und Genossen wie Leyla und Nasır Yağız im Hungerstreik. Sie alle haben die gleiche Forderung. Diese Isolation muss sofort aufgehoben werden. Was müssen noch für Opfer gebracht werden? Nicht nur die Gefangenen, alle müssen zum Widerstand übergehen, denn solange diese Isolation, dieser Faschismus nicht zerschlagen ist, wird es keinen Frieden für uns geben. Als mein Sohn mich das letzte Mal anrief, berichtete er, dass die Zellenbelegung verändert worden ist und man sie von den anderen, die sich nicht im Hungerstreik befinden, getrennt habe. So soll die Solidarität unter den Gefangenen zerstört werden. Er sagte, er sei sehr traurig über das Schweigen draußen. Er fragte mich: ‚Mutter, warum schweigen alle?‘ Und ich frage ebenfalls ‚Warum schweigt ihr?‘“