Vier Studierende in Istanbul verhaftet

Im Zuge der Proteste an der Boğaziçi-Universität sind vier weitere Studenten verhaftet worden. Die Anzahl der seit Jahresbeginn verhafteten Studierenden hat sich damit auf acht erhöht.

In Istanbul sind vergangene Nacht vier weitere Studierende wegen der Proteste gegen die Ernennung eines AKP-Parteigängers zum Rektor der renommierten Boğaziçi-Universität verhaftet worden. Gegen zwei weitere wurde Hausarrest angeordnet. Fünf der Betroffenen waren am Donnerstag in ihren Wohnungen festgenommen worden, eine weitere Person einen Tag später. Sie wurden am Samstag ins Justizgebäude in Çağlayan gebracht und staatsanwaltschaftlich verhört. Das Gericht erließ Haftbefehle gegen Necmettin Erdem, Akın Karakuş, Ömer Şengel und Murat Can Demirci. Die Anzahl der verhafteten Studierenden hat sich damit auf acht erhöht.

Seit Jahresbeginn protestieren Studierende und Lehrkräfte der Boğaziçi-Universität gegen die politisch motivierte Ernennung von Melih Bulu zum Leiter der Hochschule. Die Proteste wenden sich zum einen gegen die autoritäre Form der Einsetzung des Erdoğan-Günstlings durch ein Präsidialdekret und damit gegen die Beschneidung der universitären Autonomie. Zum anderen wird Bulu für wissenschaftlich ungeeignet gehalten. Der langjährige Parteigänger der AKP wurde bereits 2011 mit Plagiatsvorwürfen seiner Promotionsarbeit konfrontiert. Die Studierenden und Lehrenden der Boğaziçi-Universität warnen davor, dass Bulu der weltweit angesehenen Wissenschaftseinrichtung schaden wird.

Erdoğan fürchtet sich vor Gezi 2.0

Obwohl die autoritäre Entscheidung Erdoğans, Melih Bulu zum Leiter der Boğaziçi-Universität einzusetzen, vom Lehrkörper und der Studierendenschaft breit abgelehnt wird, führte dies bislang nicht zu einem Einlenken, im Gegenteil. Der türkische Präsident ist gewillt, die Proteste durch massive Repression niederzuschlagen und nutzt jede Gelegenheit, um die Studierenden als Terroristen zu diffamieren. Am Freitag erklärte er zu der Forderung nach einem Rücktritt des von ihm berufenen Rektors: „Wenn ihr Mut ausreicht, werden sie auch noch den Rücktritt des Staatspräsidenten fordern.“ Auf Twitter brach daraufhin ein Shitstorm mit Rücktrittsforderungen los.

Offener Brief der Boğaziçi-Solidarität an den Präsidenten

Daraufhin veröffentlichte die Initiative Boğaziçi-Solidarität einen „offenen Brief an den 12. Staatspräsidenten“. Darin heißt es unter anderem: „Verwechseln Sie uns nicht mit bedingungslos Gehorsamen. Weder sind Sie unser Sultan noch sind wir Ihre Untertanen. Sie haben von Mut gesprochen. Wir genießen keine Immunität. Sie hingegen plustern sich seit 19 Jahren hinter dem Panzer der Immunität auf. Sie nennen unsere LGBTI+Freund*innen pervers. Wir sagen, dass LGBTI-Rechte Menschenrechte sind. Sie halten die HDP-Vorsitzenden, Journalist*innen, Gewerkschafter unrechtmäßig im Gefängnis fest. Wir sagen, dass wir zusammen mit allen stehen, die ohne Angst die Wahrheit herausschreien. Wir sind gegen alle Zwangsverwalter.“