Türkei: Kein Ende der juristischen Verfolgung von Opposition

In Bursa sind ein Journalist und vier HDP-Politiker:innen in einem Revisionsverfahren wegen vermeintlicher Terrorpropaganda zu jeweils eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. In Mersin wurden zehn Personen unter gleichen Vorwürfen verhaftet.

Mit einem Urteilsspruch über jeweils eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe endete an einem Strafgericht in der westtürkischen Provinz Bursa am Donnerstag ein Revisionsprozess gegen mehrere Mitglieder der kurdisch-demokratischen Opposition. Angeklagt waren mit Aynur Yılmaz und Mehmet Akbaş die ehemaligen Ko-Vorsitzenden des Provinzverbands der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Bursa, ihr für den Bezirk Mudanya zuständige Amtskollege Halis Şanlı, sowie der HDP-Aktivist Ismail Hakkı Gökçe. Als fünfter Angeklagter musste der Journalist Emrah Çaçan vor Gericht erscheinen.

Grundlage der Anklage gegen sie war der Tatvorwurf, durch Beiträge in sozialen Medien „Propaganda für eine terroristische Organisation“ betrieben zu haben. Das Verfahren geht auf Ermittlungen aus dem Jahr 2015 zurück. Im Fall von Çaçan sei das „Vergehen der Terrorpropaganda“ weitaus gravierender gewesen, weil er die von der Anklage inkriminierte Beiträge als Korrespondent der 2016 per staatlichem Dekret verbotenen Nachrichtenagentur DIHA veröffentlichte. Çaçan saß wegen des Verfahrens von Januar bis September 2016 in Untersuchungshaft.

In einem ersten Prozess waren alle fünf Beschuldigten im Januar 2021 vom Vorwurf der Terrorpropaganda freigesprochen worden, zwei Mitangeklagte erhielten allerdings Haftstrafen von drei Jahren beziehungsweise achtzehn Monaten. Weil die Staatsanwaltschaft alle Angeklagten verurteilt sehen wollte, legte sie Revision ein. Das Verfahren gegen die nun Verurteilten wurde neu aufgerollt – und für türkische Verhältnisse relativ schnell beendet. Der neue Prozess begann erst im vergangenen Juni. Die Verteidigung der Betroffenen hat angekündigt, das Urteil anzufechten.

Das über Oppositionellen aus dem kurdischen Spektrum permanent schwebende Damoklesschwert der juristischen Repression machte sich auch in der südtürkischen Küstenmetropole Mersin bemerkbar. Dort wurden bereits am Mittwoch zehn Kurdinnen und Kurden verhaftet. Zur Begründung wurde ein Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft Mersin wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda angeführt. Unter den inhaftierten befindet sich auch Isa Kurt, Vorsitzender eines von Menschen aus der Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) stammenden Kulturvereins ins Mersin. Kurz war zusammen mit elf weiteren Personen bei frühmorgendlichen Razzien festgenommen worden. Gegen zwei von ihnen verhängte ein Gericht polizeiliche Meldeauflagen anstelle von Untersuchungshaft.