Die Financial Action Task Force (FATF) hat die Türkei auf die graue Liste für Finanzstraftaten gesetzt. Das von Recep Tayyip Erdoğan geführte Land habe bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung versagt, sagte FATF-Präsident Marcus Pleyer nach einer Plenarsitzung am Donnerstag in Paris. Zwar habe die Türkei seit einer Ende 2019 erfolgten Prüfung, bei der gravierende Mängel bei der Umsetzung und Durchsetzung von Gesetzen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung festgestellt worden waren, „einige Fortschritte gemacht“. Aber es gebe immer noch „ernsthafte Probleme“, so Pleyer.
Dazu gehörten Fragen der Aufsicht, insbesondere in Hochrisikosektoren wie Banken, Edelsteinhändler und Immobilienmakler. Pleyer nahm auch das harte Vorgehen der Türkei gegen die Zivilgesellschaft zur Kenntnis. „Die FATF ist sich der Bedenken von Menschenrechtsgruppen über die Behandlung von gemeinnützigen Organisationen durch die Türkei bewusst. Die Türkei muss einen wirklich risikobasierten Ansatz für Non-Profit-Organisationen umsetzen und sicherstellen, dass die Behörden legitime Aktivitäten nicht behindern oder entmutigen“, sagte Pleyer.
Drei Tage lang tagte das 39-köpfige Plenum in Paris
„Gesetz“ gegen Geldwäsche dient Demontage der Zivilgesellschaft
Die Bedenken richten sich gegen das neue Gesetz zur „Verhinderung der Verbreitung der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen“, bei dem es sich entgegen der Annahme aus dem Titel vielmehr um eine Demontage der Zivilgesellschaft handelt. Die wenigsten Artikel befassen sich mit Regelungen zu Abstrafungsmaßnahmen und Kontrollmechanismen gegen Geldwäsche sowie Finanzierung von Massenvernichtungswaffen zu terroristischen Zwecken. Demgegenüber ist der Staatspräsident berechtigt, das Einfrieren von Geldern und Vermögen von Beschuldigten anzuordnen, gegen die sogenannte Terrorverdächtigungen im Raum stehen. Das Innenministerium und die von der Regierung ernannten Gouverneure haben die Befugnis, in Initiativen, Vereine und Stiftungen einzugreifen, sobald gegen ein Vorstandsmitglied eine strafrechtliche Ermittlung unter Terrorismusvorwürfen eingeleitet wird. Sowohl das Innenministerium als auch die Gouverneure sind autorisiert, die betroffenen Personen zu suspendieren, die Tätigkeit der Vereinigung lahmzulegen und an ihrer Stelle einen Zwangsverwalter einzusetzen.
Pleyer: Türkei hat sich auf hoher politischer Ebene verpflichtet
„Die Türkei muss zeigen, dass sie wirksam gegen komplexe Geldwäschefälle vorgeht, die Verfolgung der Terrorismusfinanzierung entsprechend ihrer Risiken betreibt und Fällen von Organisationen, die bei den Vereinten Nationen als terroristisch gelistet sind – wie etwa IS oder al-Qaida – Priorität einräumt“, sagte Pleyer. Die türkische Regierung habe sich auf „hoher politischer Ebene“ verpflichtet, die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Deshalb müsse sie sich an die gemachten Zusagen auch halten, forderte der FATF-Präsident.
FATF: Globale Kontrollinstanz
Die FATF ist die weltweite Kontrollinstanz für Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung von Massenvernichtungswaffen mit mehr als 200 Mitgliedsländern und -gerichtsbarkeiten. Sie hat Standards entwickelt, deren Umsetzung in den Mitgliedsländern regelmäßig überprüft wird. Unterstützt wird die FATF von einem bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angegliederten Sekretariat. Die Aufnahme auf die graue Liste bedeutet, dass das Land unter verstärkter Beobachtung steht, dass es vermehrt überwacht wird. Zugleich verpflichtet sich das Land, die festgestellten Mängel im Rahmen der Finanzkriminalität zu beseitigen. Die graue Liste gilt allerdings nur als Warnung, um zu verhindern, dass ein Land auf eine schwarze Liste gesetzt wird, was zu höheren Risiken und strengeren Strafen und Vorschriften führt. Im Juli vergangenen Jahres übernahm Deutschland die Präsidentschaft der FATF. Präsident Marcus Pleyer sitzt normalerweise im Bundesministerium der Finanzen.
Listung schwerer Schlag für Erdoğan
Der Eintrag der Türkei in die graue Liste der FATF dürfte einen Hieb in die Magengegend von Erdoğan bedeuten. Die türkische Wirtschaft ist schwer angeschlagen, die Inflation liegt bei 20 Prozent, der Lira ist immer weniger wert und Importe werden teurer. Am Donnerstag senkte die türkische Zentralbank dann dennoch den Leitzins – um zwei Punkte von 18 auf 16 Prozent. Die Folge: Die Lira fiel auf neue Rekordtiefs zu Dollar und Euro.