Türkdoğan: „Ich werde meine Arbeit fortsetzen“

Im Verfahren gegen den IHD-Vorsitzenden Öztürk Türkdoğan hat der erste Verhandlungstag stattgefunden. Trotz drohender langjähriger Haftstrafe erklärte Türkdoğan: „Ich werde meine Aktivitäten fortsetzen.“

Das Verfahren gegen den Ko-Vorsitzenden des Menschenrechtvereins IHD, Öztürk Türkdoğan, hat vor der 19. Strafkammer des Schwurgerichts von Ankara begonnen. Dem Menschenrechtler werden wegen der Benennung des Völkermords an den Armeniern als Genozid und wegen seiner Äußerungen zur kurdischen Fragen in drei Fällen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation“, „Herabwürdigung der türkischen Nation“ und „Beleidigung von Amtspersonen“ vorgeworfen. Ihm droht eine Haftstrafe von mehreren Jahrzehnten.

Zum ersten Verhandlungstag waren die Anwältin und Ko-Vorsitzende des IHD, Eren Keskin, Vertreter:innen des Vereins der freiheitlichen Jurist:innen (ÖHD), des Vereins der Fortschrittlichen Jurist:innen (ÇHD), der HDP und vieler anderer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen erschienen. Unter ihnen befand sich auch der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu.

Verfahren zielt auf Einschüchterung ab“

Türkdoğan erklärte: „Dieses Verfahren gegen mich zielt darauf ab, Menschenrechtsverteidiger, unseren Verein und uns persönlich einzuschüchtern. Ich denke, das Verfahren gegen mich wurde vom Innenministerium initiiert. Ich werde weiterhin meine Menschenrechtsaktivitäten durchführen. Dieser Rechtsbruch muss aufhören.“

Keskin: „Noch nie waren Anwält:innen so hilflos“

Türkdoğans Verteidiger Kerem Altıparmak forderte die Rücknahme der Anklage. Rechtsanwältin Eren Keskin, die Türkdoğan ebenfalls vertritt, erklärte: „Ich kann mich an keine Phase erinnern, in der wir uns als Anwältinnen und Anwälte so hilflos gefühlt haben. Die Türkei verletzt alle internationalen Konventionen, die sie selbst unterzeichnet hat.“

Ausreiseverbot verlängert

Das Gericht beschloss, Türkdoğans Ausreiseverbot bestehen zu lassen und vertagte sich auf den 19. April.

Abweichende Meinungen sollen Mitgliedschaft in Terrororganisation belegen

In der Anklageschrift werden in diesem Verfahren insbesondere die Aussagen Türkdoğans zum türkischen Angriff auf die südkurdische Region Gare, der Isolation von Abdullah Öcalan und der Rechtsverletzungen an Gefangenen wie auch Telefongespräche mit Anwält:innen und Journalist:innen kriminalisiert. Allein in diesem Verfahren beläuft sich das zuvor festgelegte Strafmaß auf sieben bis 15 Jahren Haft. Insgesamt drohen dem 52-Jährigen mehr als zwei Jahrzehnte Gefängnis.

Der gewichtigste Vorwurf gegen den Menschenrechtsaktivisten, der den renommierten Menschenrechtsverein IHD seit 2008 mitleitet und zu den Mitbegründern der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) gehört, dürfte jener der behaupteten Mitgliedschaft in einer „mit Waffengewalt kämpfenden Terrorgruppe“ sein. Laut der Oberstaatsanwaltschaft von Ankara würde Türkdoğan „im Einklang mit den Anweisungen” der kurdischen Arbeiterpartei PKK handeln. Als Grundlage werden abweichende Meinungsäußerungen zu sogenannten Tabu-Themen herangezogen, etwa Kritik an der gravierenden Menschenrechtslage im Land – darunter jene in den Haftanstalten und insbesondere auf der Gefängnisinsel Imrali, wo der PKK-Begründer Abdullah Öcalan seit Jahren in erschwerter Isolationshaft sitzt.