Türkei: Theologe wegen Präsidentenbeleidigung verurteilt

Der Publizist und Theologe Ihsan Eliaçık ist in der Türkei wegen vermeintlicher Präsidentenbeleidigung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden.

Der Publizist und Theologe Ihsan Eliaçık ist in der Türkei wegen Präsidentenbeleidigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Dem 58-Jährigen wird vorgeworfen, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in einem im November 2016 verfassten Twitter-Beitrag als „Hund“ bezeichnet zu haben. Tatsächlich hatte Eliaçık die Antwort eines Nutzers des Kurznachrichtendienstes auf seinen Kommentar geteilt. Dieser nutzte als Profilbild ein Foto eines Hundes. Daraus konstruierte das Gericht, Eliaçık habe Erdoğan einen „Hund“ genannt. Durch solche Willkürurteile versucht das Regime, jegliche Opposition einzuschüchtern und mundtot zu machen.

Ihsan Eliaçık ist als erster Verfechter eines „islamischen Sozialismus“ in der Türkei bekannt und gilt als ideologischer Vater der antikapitalistischen Muslime. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 wurde er verhaftet und verbrachte etwa ein Jahr im Gefängnis von Mamak in Ankara, wo er schwerster Folter unterzogen wurde. Insgesamt 35 Ermittlungsverfahren wurden gegen ihn nach 1981 und ab 1997, kurz nach dem postmodernen Staatsstreich vom 28. Februar, eingeleitet.

Im April 2018 wurde Eliaçık wegen „Propaganda für eine Terrororganisation” – gemeint war die PKK – zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Gericht warf ihm eine Rede vor, die er bei einer Konferenz des Demokratischen Islam-Kongresses (DÎK), einer Mitgliedsorganisation des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD), gehalten hatte.

36.000 Ermittlungsverfahren wegen Präsidentenbeleidigung

Präsidentenbeleidigung ist ein gängiger Vorwurf in der Türkei. Allein 2019 sind nach Angaben des türkischen Justizministeriums insgesamt 36.066 Verfahren wegen Beleidigung von Recep Tayyip Erdoğan angestrengt worden. Über 3.800 Angeklagte wurden zu Haft- oder Geldstrafen verurteilt.