Die Geisterwähler spuken wieder. Wie vor jeder Wahl versucht das AKP-Regime, seine Macht in den kurdischen Regionen über Manipulation der Melderegister zu sichern. Bei den bevorstehenden Kommunalwahlen in der Türkei scheint die Registrierung von falschen Wähler:innen im Vorfeld besonders extrem zu sein. Unter Nutzung der Zwangsverwaltung in den kurdischen Gemeinden wurden unzählige „Geisterwähler“ registriert. Die DEM-Partei stellte konkrete Untersuchungen zu den Vorfällen an und legte vielerorts Widerspruch gegen diese Unregelmäßigkeiten im Wahlregister ein. Alle Widersprüche der DEM-Partei wurden jedoch bisher abgewiesen. Während nur noch wenige Wochen bis zu den Kommunalwahlen am 31. März 2024 bleiben, wurden bereits in vielen kurdischen Kommunen Tausende Berufssoldaten und Polizisten als Wahlberechtigte registriert.
Regierung will Wahlen durch Betrug gewinnen
Im ANF-Gespräch berichtete die Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der DEM-Partei in Amed (tr. Diyarbakir), Pınar Sakık Tekin, von den Entwicklungen. Sie ordnete die Betrugsversuche wie folgt ein: „Die Regierungskoalition kann die Errungenschaften unserer Partei und unseres Volkes nicht ertragen. Sie hat auf der Grundlage der Ergebnisse bei den Kommunalwahlen von 2019 damit begonnen, sich einen Wahlbezirk nach dem anderen vorzunehmen und mit großer Präzision Wahlberechtigte registrieren zu lassen. Diese sollen die bevorstehenden Wahlen zu ihren Gunsten beeinflussen. Insbesondere in Kurdistan kamen solche ‚mobilen‘ Wähler zum Einsatz. In den vergangenen zwei Wahlperioden wurde den Menschen in diesen Regionen permanent ihr Wählerwille geraubt. Dies stellt nichts anderes als eine Fortsetzung des Reformplans Ost1 dar. Die Regierung hat sich dafür soweit erniedrigt, Zwangsverwalter zu ernennen, und versucht nun, die Stimmen mit Betrug und Gewalt zu stehlen. Dieses Vorgehen findet vielerorts statt. Die mobilen Wähler werden insbesondere dort registriert, wo die Regierung zuvor knapp verloren hat.“
„Wir werden diese Angriffe an den Wahlurnen vereiteln“
Der Regierung sei vollkommen klar, dass sie die Wahlen in den kurdischen Kommunen regulär nicht gewinnen könne, deshalb greife sie zu solchen Methoden, sagte Tekin und fuhr fort: „Die Regierung versucht, die Wahlen durch Wählertransfer zu gewinnen. Wir werden gegenüber dieser verbrecherischen Politik nicht schweigen. Wir werden Strafanzeige erstatten, sowohl gegen diejenigen, die diesen Wählertransfer durchführen, als auch gegen diejenigen, die bei diesem Transfer mitmachen. Wir werden ihnen zeigen, was Demokratie ist. Wir haben ihnen bereits gezeigt, was Demokratie ist, indem wir eine Vorwahl in Kurdistan, ein ‚Fest der Demokratie‘ organisiert haben. Mit dieser Vorwahl haben wir die Demokratie in den Herzen der Menschen bewahrt, und wir werden das auch weiterhin tun. Als Partei versuchen wir Bedingungen dafür zu schaffen, dass unser ganzes Volk seinen politischen Willen zum Ausdruck bringen kann. Wir werden die Menschen an die Urnen bringen. Die AKP greift immer auf schmutzige Machenschaften und Repression zurück, wenn sie merkt, dass sie verloren hat. Wir werden diese Angriffe an den Wahlurnen vereiteln.“
Soldaten und Polizisten als Wähler registriert
Über den Ausmaß des Betrugs in der Provinz Amed berichtete die DEM-Politikerin: „Wahlberechtigte wurden an Orten registriert, an denen es gar keine Häuser gibt. In der Provinz Amed sind insbesondere die Kreise Pasûr (Kulp), Hezo (Hazro) und Gêl (Eğil) von dem Wählertransfer betroffen. Wir haben festgestellt, dass es sich bei den dort registrierten Wählern um Soldaten und Polizisten handelt. Dagegen haben wir als Partei Einspruch beim Bezirkswahlvorstand eingelegt, der jedoch mit der Begründung abgelehnt wurde, dass es sich bei diesen Wählern um Beamte handele. Deshalb haben wir einen allgemeinen Antrag beim Hohen Wahlausschuss (YSK) gestellt. Derzeit warten wir auf Antwort von dort. Wir erwarten vom YSK, dass er seine Pflicht und Verantwortung für eine wirklich demokratische Wahl in Kurdistan wahrnimmt. Wir werden uns gegen diese Regierung, die mit Zwangsverwaltern und Wählertransfer versucht, den Willen des Volkes zu usurpieren, sowohl bei der Vorwahl als auch in den folgenden Phasen stellen. Wir werden unsere Arbeit fortsetzen, um zurückzuholen, was uns gestohlen wurde. Wir werden zeigen, dass es kein Volk ohne Partei und keine Partei ohne Volk geben kann, und dass wir miteinander solidarisch sind. Die Regierung hat Angst vor dem Willen und den Errungenschaften des Volkes. Wir sind uns dessen bewusst. Wir werden in Kurdistan mit vielen Stimmen gewinnen. Ich betrachte diesen Stimmanteil als ein Spiegelbild der demokratischen Politik, die wir betreiben.“
„Wir werden den Willen unseres Volkes verteidigen“
Tekin schloss mit den Worten: „Wir müssen wachsam sein. Wir müssen sehr sorgfältig arbeiten. Wir werden jeden Betrug, der uns während des Wahlprozesses widerfahren wird, aufdecken. Wir werden diesen Prozess gemeinsam mit unserem Volk angehen. Deshalb steht unserem Volk hier auch eine Menge Arbeit bevor. Als DEM-Partei führen wir unsere Arbeit auf der Grundlage von Fakten durch. Wir versprechen, dass wir den Willen unseres Volkes vor, während und nach der Wahl schützen werden.“
1 Reformplan für den Osten“ (Şark Islahat Planı): 1925 legte der türkische Faschismus unter Mustafa Kemal sein systematisches Vorgehen gegen das kurdische Volk fest. Unter dem Deckmantel des Ausnahmezustands sah dieser Plan Maßnahmen der Assimilation vor, zu denen Deportationen, Umsiedlungen und Massenmorde gehörten. Mit diesem Plan wurde die kurdische Frage dem Militär unterstellt.