Tahir Köçer: Kein kurdischer Mensch soll unorganisiert bleiben

Die im kurdischen Dachverband KON-MED bestehenden Räte sollen zu Orten werden, an denen sich die Menschen an der Basis aus eigener Kraft organisieren, um gemeinsam ihre Probleme zu lösen, erklärt der Ko-Vorsitzende Tahir Köçer.

Der im Mai vergangenen Jahres in Köln gegründete Dachverband KON-MED (Konföderation der Gemeinschaften Mesopotamiens in Deutschland / Konfederasyona Civakên Kurdistaniyên li Elmanyayê) setzt sich aus fünf Föderationen im deutschen Bundesgebiet zusammen. Deniz Babir hat für die Tageszeitung Yeni Özgür Politika mit dem Ko-Vorsitzenden Tahir Köçer über die Arbeit des Verbands gesprochen. Wir veröffentlichen einen Ausschnitt aus dem Interview.

Welche Einrichtungen und Vereine sind innerhalb von KON-MED organisiert?

KON-MED setzt sich aus fünf Föderationen zusammen, in denen insgesamt 76 Räte, zwölf Kommunen, 69 Demokratische Kurdische Gesellschaftszentren, 38 Moscheen, zwölf alevitische Einrichtungen, neun ezidische Einrichtungen sowie knapp 100 Sportvereine, Rojava-Vereine, Frauen- und Jugendorganisationen organisiert sind.

Zurzeit finden die Jahreskongresse der in den Föderationen organisierten Räte statt. Worüber wird bei den Kongressen gesprochen? Was wird kritisiert?

Bei den Kongressen wird deutlich, dass Frauen und Jugendlichen viel stärker vertreten sein müssen. Ebenso müssen die vier Teile Kurdistans gleichmäßiger vertreten sein. Es wird kritisiert, dass unsere Räte überwiegend aus Menschen aus Nordkurdistan bestehen. Wir müssen eine Form finden, die alle anderen mit einbindet.

Ein weiterer Kritikpunkt, der auf den Kongressen angesprochen wurde, ist das Fehlen von Projekten, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. In den Demokratischen Gesellschaftszentren gibt es keine ausreichenden Angebote zum Beispiel für muttersprachlichen Unterricht für Kinder, berufsvorbereitende Kurse, kulturelle Arbeit oder Aktivitäten für Frauen und Jugendliche, mit denen die Solidarität untereinander gestärkt werden kann. Die Räte in den Gesellschaftszentren leisten einen großen Einsatz, aber wir können trotzdem nicht ausreichende Lösungen für die Probleme der Menschen anbieten.

Wie sieht die weitere Planung aus?

Bis Ende März sollen alle lokalen Räte und Kommunen ihre Kongresse durchführen, bis Ende April dann die fünf Föderationen. Es werden neue Vorstände gewählt, mit denen wir unsere Arbeit gestärkt fortsetzen wollen. Beispielsweise ist die diplomatische Arbeit sehr wichtig. In diesem Bereich ist zwar sehr gute Arbeit geleistet worden, aber im Ergebnis haben wir die gewünschte Ebene noch nicht erreicht. In der kommenden Zeit wird das einer unserer Schwerpunkte sein.

Die kurdische Bevölkerung in Deutschland organisiert sich seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Modellen. Trotz aller Unzulänglichkeiten, die dabei vorkommen, tragen wir mit unserer politischen, diplomatischen, gesellschaftlichen und kulturellen Organisierung zum kurdischen Kampf für Demokratie und Freiheit bei.

In Deutschland leben ungefähr anderthalb Millionen Menschen mit Wurzeln in Kurdistan. Wir erreichen längst nicht alle, es gibt ein großes Potential. Die Jugendlichen aus der zweiten oder dritten Generation und die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen haben eigene Probleme und Bedürfnisse. Daraus entsteht der Bedarf nach einer noch breiteren Organisierung. Diesen Bedarf versuchen wir mit unseren Volksräten zu decken. Unser Motto dabei lautet: „Kein kurdischer Mensch soll unorganisiert bleiben.“ Die Räte sollen zu Orten werden, an denen sich die Menschen an der Basis aus eigener Kraft und mit eigener Arbeit organisieren, um gemeinsam ihre Probleme zu lösen und ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Diese Sichtweise müssen sich alle Mitglieder bewusst machen.