Das Oberlandesgericht (OLG) München hat einen 38-jährigen Tadschiken wegen seiner Mitgliedschaft in der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der Angeklagte wurde am Donnerstag der mitgliedschaftlichen Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen schuldig gesprochen, wie ein Gerichtssprecher mitteilte.
Den Feststellungen des Senats zufolge reiste Bobodzhon K. 2015 von der russischen Hauptstadt Moskau in das damals vom sogenannten IS besetzte Gebiet im nordsyrischen Raqqa und nahm dort an einer umfangreichen Koranschulung sowie an einer militärischen Schulung teil, um anschließend Mitglied einer russischsprachigen militärischen Einheit, einer sogenannten Katiba, zu werden. Mit dieser habe K. sich unter anderem am Sturm auf einen Militärflughafen beteiligt und mindestens einmal aus einem Maschinengewehr geschossen.
Der Angeklagte hatte den Tatvorwurf unter anderem in Vernehmungen weitgehend eingeräumt. Das Gericht stufte dieses Geständnis als weitgehend glaubhaft ein. Anders als der Angeklagte, der sich als Opfer des IS ansah, bewertete der Senat dessen Handlungen als „täterschaftliche mitgliedschaftliche Beteiligung“ in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Der IS erfülle alle Voraussetzungen einer solchen Organisation.
Die Vorsitzende Richterin Sigrid Dörmer hob dabei das Schicksal der Ezidinnen und Eziden hervor, „die unter der Herrschaft des IS besonders gelitten haben und aus deren Gruppe 10.000 Menschen ermordet wurden“. Der Angeklagte habe sich in voller Kenntnis der Natur des IS in dessen Hände begeben und sich bewusst dafür entschieden, den „Kampf des IS“ zu unterstützen; er sei nicht dazu gezwungen worden. Zu Lasten des Angeklagten würdigte das Gericht vor allem, dass der IS „eine ganz besonders grausame und erbarmungslose terroristische Vereinigung“ sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft München steht das Rechtsmittel der Revision offen, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.
Genozid und Femizid in Şengal
Der IS hatte 2014 weite Teile des Irak und Syriens überrannt und eine Schreckensherrschaft installiert. Über die Staatsgrenzen hinweg rief die Dschihadistenmiliz ein „Kalifat“ aus. Im ezidischen Hauptsiedlungsgebiet Şengal im Nordwesten des Iraks verübte der IS im August 2014 einen Genozid. Durch systematische Massakrierung, Vergewaltigung, Folterung, Vertreibung, Versklavung von Mädchen und Frauen und der Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten erlebte die ezidische Gemeinschaft den 74. Völkermord in ihrer Geschichte. Etwa 10.000 Menschen fielen jüngeren Schätzungen nach Massakern zum Opfer, mehr als 400.000 weitere wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt, bis heute werden 2.500 von ihnen vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar. Nach mehrjährigen und opferreichen Offensiven sowohl im Irak als auch in Syrien konnte die Miliz 2017 bzw. 2019 militärisch besiegt werden. IS-Schläferzellen sind aber in beiden Ländern weiter aktiv und verüben Anschläge.
Titelbild (c) Simon auf Pixabay