Vor dem Europarat in Straßburg haben Vertreter:innen kurdischer und türkischer Organisationen, Jurist:innen, Parlamentarier:innen, Exilpolitiker:innen und Medienschaffende sofortigen Kontakt zu Abdullah Öcalan gefordert. Die Pressekonferenz vor dem Europaratsgebäude bildete den Abschluss einer vom kurdischen Europaverband KCDK-E durchgeführten dreitägigen Mahnwache gegen die Isolierung Öcalans von der Öffentlichkeit.
Benkhelifa: „Öcalan ist nicht irgendein Gefangener“
Die belgische Rechtsanwältin Selma Benkhelifa wies auf der Pressekonferenz auf die Verpflichtung des Europarats hin, die Einhaltung von Gerichtsurteilen in seinen Mitgliedsstaaten zu überprüfen: „Diese Überprüfung findet nicht statt. Die Türkei hält sich nicht an Gerichtsentscheidungen, aber es ändert sich nichts. Uns wurde im Europarat gesagt, dass wir in juristischer Hinsicht Recht haben, aber erst die Öffentlichkeit gewinnen müssen, damit sich etwas bewegt. Das ist meiner Meinung nicht richtig. Ich halte es für eine politische Entscheidung des Europarats. Es bedeutet, dass sie sich solange nicht bewegen werden, bis die Medien und die Öffentlichkeit in Europa für eine Beendigung der Isolation von Abdullah Öcalan eintreten. Also fällt es uns zu, diese Isolation zu beenden und Abdullah Öcalans Freilassung zu fordern. Das ist sehr wichtig, denn Öcalan ist nicht irgendein Gefangener. Er ist Symbolfigur eines Volkes und auch über sein Volk hinaus von symbolischer Bedeutung.“
Callewaert: „Europarat muss für die Umsetzung von EGMR-Urteilen sorgen“
Rechtsanwalt Joke Callewaert forderte, dass sich die Politik an gerichtliche Entscheidungen hält. Callewaert vertritt unter anderem den kurdischen Politiker Zübeyir Aydar und war einer der Anwälte in dem Verfahren in Belgien, das 2020 mit der höchstinstanzlichen Bestätigung endete, dass die PKK keine terroristische Vereinigung, sondern eine Partei in einem bewaffneten Konflikt ist. „Auf juristischer Ebene haben wir gewonnen, aber die Politik hält sich nicht daran. Aus diesem Grund haben Kolleginnen und Kollegen eine Initiative gestartet, damit die PKK von der Liste terroristischer Organisationen gestrichen wir. Was wir fordern, ist lediglich die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zweimal entschieden, dass die Prozedur gegen Abdullah Öcalan rechtswidrig ist. Anders ausgedrückt: Er darf auf Imrali nicht vollständig isoliert werden. Die Türkei hält sich jedoch nicht an diese Urteile. Wir sind heute hier, weil wir fordern, dass der Europarat die vom Menschenrechtsgerichtshof gefällten Urteile umsetzt und für ihre Umsetzung sorgt“, so der belgische Anwalt.
„Wir wollen ein Lebenszeichen von Abdullah Öcalan“
Zübeyir Aydar, der Exekutivratsmitglied der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) ist, erklärte, dass Abdullah Öcalan seit 24 Jahren auf einer Gefängnisinsel festgehalten wird und es seit März 2021 kein Lebenszeichen mehr von ihm gibt. Weiter sagte Aydar: „Als Vertreterinnen und Vertreter kurdischer Institutionen stehen wir mit unseren Freundinnen und Freunden vor dem Europarat, um uns Gehör zu verschaffen. Im Europarat finden Sitzungen statt, Abgeordnete der HDP, Anwälte von Öcalan und die internationale Initiative ,Freiheit für Öcalan' führen dort Gespräche. Menschen in allen Teilen Kurdistans und in Europa sind auf den Beinen. Eine internationale Anwaltsdelegation ist in die Türkei gereist, um dort mit Institutionen über das Thema zu sprechen. Hier vor dem Europarat findet seit elf Jahren eine durchgehende Mahnwache für die Freiheit von Öcalan statt. Mit dieser Kampagne wollen wir die Isolation durchbrechen. Die Freiheit von Abdullah Öcalan ist unsere Freiheit.“
Yüksel Koç, Ko-Vorsitzender des KCDK-E, forderte den Europarat und das Antifolterkomitee CPT zum Handeln auf und sagte: „Wir wollen ein Lebenszeichen von Abdullah Öcalan. Die Isolation muss beendet werden und der Europarat trägt dafür Verantwortung. Wir werden weiterkämpfen, bis Öcalan freigelassen wird.“
Auch die Journalistin Sara Glynn, der irische Parlamentarier Paul Gavan (Sinn Féin), Sawsan Chouman von der internationalen Fraueninitiative „Freiheit für Öcalan“ und die kolumbianische Anwältin Diana Restrepo unterstützten die Forderung nach Aufhebung der Isolation und erklärten sich mit der kurdischen Bewegung solidarisch.