Sträflingskleidung in der Türkei eingeführt

In der Türkei ist eine gesetzliche Einheitskleidung für Untersuchungs- und Strafgefangene eingeführt worden. Die HDP-Abgeordnete Ayşe Acar Başaran bezeichnete die neue Regelung als „Provokation der Regierung“.

Mit der Veröffentlichung im türkischen Gesetzesblatt „Resmi Gazete“ ist die einheitliche Häftlingskleidung offiziell eingeführt worden. Demnach müssen Untersuchungs- und Strafgefangene zu Gerichtsterminen in einem einheitlichen Overall erscheinen. „Für Frauen überlegen wir noch etwas anderes“, erklärte Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan.

Die HDP-Abgeordnete Ayşe Acar Başaran erinnert diese Maßnahme an ähnliche Beispiele aus der Türkei der 1980er Jahre und anderen Ländern: „Es handelt sich bei der Einheitskleidung um eine Methode, mit der die Gefangenen provoziert werden sollen. Häftlingskleidung bedeutet Folter, das wissen wir aus Beispielen anderer Länder. Diese Folter darf nicht stillschweigend hingenommen werden. Wir haben mit Gefangenen darüber gesprochen, daher wissen wir, dass sie diese Maßnahme nicht akzeptieren werden. Für alles, was daraus folgen wird, ist allein die Regierung verantwortlich.“

Die Abgeordnete wies auf die Unschuldsvermutung bei Untersuchungsgefangenen hin: „Bis zur Verurteilung gilt ein Mensch als unschuldig. Der Zwang zur Häftlingskleidung bedeutet eine Vorverurteilung, also eine extralegale Vollstreckung.“

„Der Staat steuert bewusst ins Chaos“

Auch Gülseren Yoleri, die Vorsitzende der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD, betrachtet die Häftlingskleidung als ein Verbrechen an der Menschheit. „Diese Maßnahme entspringt dem rache- und hasserfüllten Geist der Regierung“, erklärte sie.

Besorgniserregend sei auch, dass die Regelung ohne vorherige Zustimmung des Parlaments von der Ausnahmezustandskommission eingeführt werden konnte. „Die Anzahl der Terrorverdächtigen in türkischen Gefängnissen ist acht Mal höher als die aller anderen Untersuchungsgefangenen. Mit der Ausrufung des Ausnahmezustands sind Tausende oppositionelle, kurdische und linke Menschen verhaftet worden. Alle sind jetzt von der Einheitskleidung betroffen. Diese Maßnahme ist gesetzeswidrig. Man kann niemandem Sträflingskleidung aufzwingen, wenn die Straftat noch gar nicht erwiesen ist.“

Die Regierung wisse genau, dass die Neuregelung heftige Proteste in und außerhalb der Haftanstalten auslösen werde, erklärte die Menschenrechtlerin: „Der Staat steuert bewusst ins Chaos.“

JINNEWS