Sorge um Öcalan: „Organisierung ist das Gegengift“

Aktivisten aus Saarbrücken haben die Mahnwache für die Freiheit von Abdullah Öcalan in Straßburg übernommen. Der kurdische Vordenker gilt als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage, aber sein Zustand ist unbekannt.

Seit dem 25. Juni 2012 findet in Straßburg eine Dauermahnwache für die Freiheit von Abdullah Öcalan statt. Die Mahnwache wird im wöchentlichen Wechsel von Gruppen aus verschiedenen europäischen Ländern betreut. In dieser Woche haben drei Aktivisten des Kurdischen Gesellschaftszentrum Saarbrücken die Mahnwache übernommen.

Aktivisten aus Saarbrücken in Straßburg

Wie der Sprecher der Gruppe gegenüber ANF erklärte, verurteilen Kurdinnen und Kurden weltweit die Isolation von Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali. Der Aktivist betont, dass Öcalans Freiheit in direktem Zusammenhang mit der Befreiung des kurdischen Volk steht und nur durch einen organisierten Kampf erreicht werden kann. „Als Menschen, die hier Woche für Woche eine Mahnwache durchführen, erklären wir, dass der Feind seine Ziele niemals erreichen wird. Wir werden weiterhin mit großer Überzeugung und Beharrlichkeit handeln. Dabei geht es uns nicht nur darum, Kritik zu äußern. Unsere wesentliche Aufgabe liegt in der Organisierungsarbeit. Organisierung ist das Gegengift zu dem internationalen Komplott gegen Abdullah Öcalan und die kurdische Bewegung.“

Kein Kontakt zu Imrali-Gefangenen

Abdullah Öcalan wurde am 15. Februar 1999 mit einem internationalen Coup aus Kenia in die Türkei verschleppt und wird mit seinen drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş seit Jahren isoliert. Seit 2019 gilt auf Imrali wieder ein striktes Anwaltsverbot, der letzte Besuch des Verteidigungsteams von Öcalan fand im August 2019 statt. Konar, Yıldırım und Aktaş haben seit ihrer Verlegung in das Inselgefängnis 2015 noch nie von ihrem Recht auf anwaltliche Vertretung Gebrauch machen können.

Öcalan ist die Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage

Seitdem Ende November bekannt wurde, dass auch das Antifolterkomitee des Europarats (CPT) bei seinem Türkei-Besuch im September keinen persönlichen Kontakt zu Öcalan hatte, hat sich die Sorge um das Leben und die Sicherheit des kurdischen Vordenkers verstärkt. Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) hat erneut darauf hingewiesen, dass die Aufhebung der Isolation auf Imrali auch die Kanäle für eine Lösung der kurdischen Frage entsperren und damit eine Demokratisierung der Türkei einleiten könne.

Letztes Lebenszeichen im März 2021

Ein letztes Lebenszeichen aus Imrali gab es in Form eines Telefonats Öcalans mit seinem Bruder im März 2021, das aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten abbrach. Die Anwaltskanzlei Asrin stellt zwar regelmäßig Besuchsanträge, um ihre Mandanten zu sehen. Die türkischen Behörden lehnen diese Ersuchen jedoch ab oder ignorieren sie. Ähnlich verhält es sich bei Besuchsanträgen von Familienangehörigen. Als juristische Ummantelung für das Unrecht auf der Insel im Marmarameer dienen der türkischen Justiz in der Regel willkürlich verhängte „Disziplinarmaßnahmen“ gegen die Imrali-Gefangenen. Lange Zeit zogen die türkischen Behörden als Begründung für das Besuchsverbot des Anwaltsteams sogar die 2009 von Öcalan dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vorgelegte „Roadmap für Verhandlungen“ heran.

Offener Rechtsbruch

Das Verbot von Anwaltsbesuchen im Imrali-Gefängnis verstößt offen gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), gegen die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats und gegen das türkische Vollzugsgesetz (Gesetz Nr. 5275). Staaten sind verpflichtet, die Ausübung der Rechte von Gefangenen und Verurteilten ohne Rücksicht auf ihre Identität oder die Qualität ihrer Strafe zu gewährleisten. Doch die türkische Justiz ist nicht gewillt, die menschenverachtenden Haftbedingungen auf Imrali zu korrigieren und hält an einer Behandlung nach Feindstrafrecht fest.