Anlässlich des sechsten Jahrestages des völkerrechtswidrigen Einmarsches der Türkei in die kurdische Region Efrîn (Afrin) im Nordwesten Syriens am 20. Januar 2018 stellt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Forderungen an die deutsche Bundesregierung: Sie müsse die Invasion und anschließende Besetzung der Region durch ihren NATO-Verbündeten Türkei „öffentlich und unmissverständlich verurteilen“ und den Rückzug der türkischen Armee und der von der Türkei unterstützten islamistischen Söldner aus Efrîn fordern. „Diese Forderung hat die GfbV persönlich an die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gerichtet. Leider haben wir bis heute keine Antwort erhalten“, berichtete der GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido, der selbst gebürtig aus Efrîn stammt, heute in Göttingen.
Seit der Besetzung rissen die Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen der Türkei in Efrîn nicht ab. „Die christliche Gemeinde von einst 1.200 Mitgliedern existiert nicht mehr. Die letzten Armenier:innen wurden ebenso vertrieben wie die rund 350.000 Kurd:innen. Tausende wurden getötet oder verletzt“, erinnerte Sido. „Kurdische Schulen und die einzige kurdische Universität in der Geschichte Syriens, kurdische Friedhöfe und Heiligtümer wurden und werden zerstört. Die Zahl der Kurdinnen und Kurden in Afrin schrumpft. Ihr Durchschnittsalter liegt bei über 70 Jahren. Während sie aussterben, gehen kurdische Häuser, Ländereien, Olivenhaine für immer in den Besitz der Türkei über.“
Der Angriffskrieg gegen Efrîn
Diejenigen, die aus Efrîn fliehen konnten und im Norden Aleppos, auch in Zeltlagern, oder weiter im Nordosten Syriens leben, würden ebenfalls fast täglich von der Türkei und ihren islamistischen Milizen bombardiert – unter den Augen der USA und Russlands. Beide Länder haben Truppen in der Region und kontrollieren den Luftraum. „Die deutsche Bundesregierung schweigt zu diesen Angriffen der Türkei oder stellt sich auf die Seite des Aggressors. Die NATO opfert die kurdische Bevölkerung in der Türkei und ihren Nachbarländern, insbesondere in Syrien. Das soll Erdogan zufrieden stellen, doch stattdessen diskreditiert dieser das gesamte transatlantische Bündnis“, so Sido. „Viele Kurd:innen und Angehörige anderer Volksgruppen werfen der NATO zu Recht Doppelmoral vor. Vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung versuchen, zwischen den Kurden und der Türkei zu vermitteln. Denn niemand im Nahen Osten braucht noch mehr Gewalt. Die Menschen sehnen sich nach Ruhe und Frieden.“