Schweden sieht Chance auf NATO-Doppelbeitritt mit Finnland schwinden

Schweden zweifelt angesichts des ungelösten Streits mit der Türkei an einem gemeinsamen NATO-Beitritt mit Finnland. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Beitritte unterschiedlich schnell vollzogen würden, sei gestiegen.

Schweden zweifelt angesichts des ungelösten Streits mit der Türkei an einem gemeinsamen NATO-Beitritt mit Finnland. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Beitritte unterschiedlich schnell vollzogen würden, sei gestiegen, sagte Ministerpräsident Ulf Kristersson am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Stockholm. Sollte Finnlands Beitrittsprotokoll zuerst ratifiziert werden, dann sei aber auch Schweden sicherer als mit einem Finnland außerhalb der NATO. Denn durch eine verzögerte Mitgliedschaft steige zugleich das Risiko russischer Einflussnahme im Land, warnte Kristersson. Auf diesen Umstand müsse er „das schwedische Volk nun vorbereiten“.

„Die Türkei glaubt nicht, dass wir so weit sind“, sagte der schwedische Chefunterhändler Oscar Stenström. Dies sei bei den Gesprächen in Brüssel von türkischer Seite klar zum Ausdruck gebracht worden, während dies gegenüber Finnland nicht geäußert worden sei. Vergangenen Donnerstag wurden die trilateralen Beitrittsgespräche zwischen der Türkei und den beiden nordischen Ländern in Brüssel nach Wochen der Funkstille wieder aufgenommen.

Finnland und Schweden hatten nach der russischen Invasion der Ukraine ihre jahrzehntelange militärische Neutralitätspolitik im vergangenen Mai aufgegeben und Anträge auf Mitgliedschaft im westlichen Militärbündnis gestellt. Den Weg wollte man stets „Hand in Hand“ gehen, sagten sie damals. Die beiden nordischen Länder hoffen auf eine Aufnahme bis Juli. Als einzige der 30 Nato-Mitgliedstaaten haben Ungarn und die Türkei der Aufnahme noch nicht zugestimmt.

Ankara betonte nach den jüngsten Verhandlungen abermals, dass Finnland sämtliche Bedingungen für einen Beitritt erfüllt habe – Schweden aber weiter Nachholbedarf hätte. Die Türkei wirft Schweden einen zu entspannten Umgang mit kurdischen Gruppen vor und verlangt die Auslieferung von mehr als hundert Personen, die in der Türkei als „terroristisch“ gelten. Unter ihnen befinden sich neben kurdischen Asylsuchenden auch Personen, die der Gülen-Bewegung nahestehen sollen.

Zudem sind Ankara pro-kurdische Demonstrationen in Schweden ein Dorn im Auge. Protestierende hatten zuletzt vor dem Rathaus in Stockholm eine Puppe des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an den Füßen aufgehängt. Sie wollten den Langzeitherrscher damit in die Nähe des faschistischen italienischen Diktators Benito Mussolini stellen, dessen Leiche 1945 kopfüber in Mailand aufgehängt worden war.