Samstagsmütter stellen Strafanzeige gegen Innenminister

Auf Befehl des türkischen Innenministers war die 700. Kundgebung der Istanbuler Samstagsmütter verboten worden. Die Polizei hatte daraufhin gewaltsam den friedlichen Protest aufgelöst. Nun wurde Anzeige erstattet.

Wegen angeblichen Verbindungen zu einer „Terrororganisation“ war die 700. Kundgebung der Samstagsmütter vom türkischen Innenminister Süleyman Soylu verboten worden. Mit Wasserwerfern fuhr die Polizei am 25. August auf und griff die Menschenmenge auf dem Istanbuler Galatasaray-Platz mit Tränengas und Gummigeschossen an. Das gewaltsame Vorgehen der Polizei sowie das Demonstrationsverbot sei berechtigt, weil sich die Samstagsmütter von Terrororganisationen instrumentalisieren lassen würden, sagte Soylu. Außerdem sei das 700. Treffen in den sozialen Netzwerken auch von Gruppierungen beworben worden, denen der Innenminister eine Nähe zur PKK unterstellt. Daher wolle man der „Ausbeutung und dem Betrug“ ein Ende setzen, hatte es geheißen.

Die Istanbuler Sektion des Menschenrechtsvereins IHD (İnsan Hakları Derneği) hat am Montag gemeinsam mit den Samstagsmüttern Strafanzeige gegen Innenminister Soylu, Gouverneur Vasip Şahin und gegen den Landrat des Stadtteils Beyoğlu, Savaş Ünlü gestellt. Anschließend wurde vor dem Istanbuler Justizpalast eine Presseerklärung abgegeben, an der auch die HDP-Abgeordneten Ahmet Şık, Ali Kenanoğlu und Saruhan Oluç teilgenommen haben.

‚Soylu verdreht die Tatsachen‘

„Statt das Verbot aufzuheben, werden jede Woche weitere Verbote erteilt“, kritisierte Gülseren Yoleri, Vorsitzende der IHD-Sektion in Istanbul. Bei den Aussagen des Innenministers handele es sich um Beleidigung und betrügerische Falschdarstellung. Das Verbot der wöchentlichen Kundgebungen verstoße zudem gegen die türkische Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Aktionen der Samstagsmütter seien sowohl menschlich als auch juristisch gerechtfertigt.

Es sind vor allem Mütter, Schwestern und Ehefrauen von in Gewahrsam genommenen Menschen, die seit 1995 Aufklärung über den Verbleib ihrer Angehörigen fordern, die nach der Festnahme spurlos verschwunden sind. Bisher waren Versammlungen der Samstagsmütter vom Staat toleriert worden. Die 700. Mahnwache schien der Regierung offenbar nicht ganz geheuer, da sogar die CHP zur Teilnahme aufgerufen hatte.

Anzeige wegen Beleidigung, Volksverhetzung, Körperverletzung und Demonstrationsverbot

„Dass der Innenminister die Samstagsmütter mit ‚Terrorismus‘ in Verbindung bringt, sie öffentlich beleidigt und verleumdet, schürt nur Hass und Feindseligkeit bei der Bevölkerung. Das Verbot der Kundgebung war rechtswidrig, deshalb haben wir gegen alle Verantwortlichen Strafanzeige gestellt. Zudem wurden weitere Anzeigen von Zivilpersonen eingereicht, die während der Kundgebung Opfer von Polizeigewalt wurden“, so Yoleri.