Rigaer Straße: 48 Stunden Widerstand

Die Polizei hat gegen Widerstand das teilbesetzte linke Hausprojekt Rigaer94 in Berlin gestürmt und eine „Brandschutzbegehung“ durchgeführt. Am Abend demonstrierten 2.500 Menschen durch Berlin. Es kam erneut zu Polizeiangriffen und Auseinandersetzungen.

Der Berliner Stadtteil Friedrichshain war am Donnerstag erneut von einem massiven Polizeieinsatz gegen das Hausprojekt Rigaer94 geprägt. Offensichtlich versuchte die Innenbehörde, an dem Haus ein Exempel zu statuieren. Trotz des Einsatzes von 1.300 Polizisten und Protesten in diesem Kontext kam es zu heftigem Widerstand gegen die Stürmung des Gebäudes, in der eine Vorbereitung einer Räumung gesehen wurde. Obwohl die Hausbewohner:innen angeboten hatten, die Brandschutzbeauftragten des Bezirks ohne Polizeibegleitung ins Haus lassen zu wollen, setzte der Innensenat darauf, das Gebäude stürmen zu lassen. Entgegen anderslautender Behauptungen der Polizei sollen die Brandschutzbeauftragten von der Polizei unter Druck gesetzt worden sein, das Gebäude nicht ohne „Polizeischutz“ zu betreten. So war eine weitere Eskalation vorprogrammiert. Die Erklärung des Innensenators Geisel (SPD), keine „rechtsfreien Räume“ dulden zu wollen, spricht ebenfalls für die eigentliche Intention des millionenteuren Einsatzes, nämlich ein Exempel staatlicher Autorität zu statuieren.

Juristischer und militanter Widerstand

Die Polizisten, die mit Schilden anrückten, wurden jedoch mit organisiertem Widerstand empfangen. Nachdem sie die Außentür der Rigaer Straße 94 aufgebrochen hatten, wurde ein Feuerlöscher auf sie entleert, so dass sie sich wieder zurückziehen mussten. Die zweite Tür, zum Hof hin, bekamen sie nur mit Mühe auf, daher versuchten Einheiten, über ein Nachbarhaus in den Hof des Hausprojekts einzudringen. Beim Überqueren der Mauer zum Hof wurden die Einheiten Berichten zufolge jedoch mit massiven Obst- und Farbwürfen sowie Knallern empfangen, so dass dieser Versuch abgebrochen wurde. Nachdem die zweite Tür geöffnet war, besetzten die Polizisten das Treppenhaus des Gebäudes und es wurde eine „Brandschutzbegehung" durchgeführt. Nach mehreren Stunden zogen sie wieder ab.

Millionenteure Durchsetzung der „Staatsräson“

Die Polizisten durften einem von den Anwält:innen der Rigaer Straße erwirkten Gerichtsbeschluss zufolge nicht die Wohnungen betreten. Auch die Vertreter:innen der Briefkastenfirma, die das Haus räumen lassen möchte, durften auf Gerichtsbeschluss nicht das Gebäude betreten. Die Brandschutzgutachter bestätigten ein wenige Wochen zuvor ohne Probleme vom Bezirk durchgeführtes Brandschutzgutachten, das keine akuten Mängel erkennen konnte. Damit hat die Innenbehörde Millionen von Euro für einen von vorneherein sinnlosen Polizeieinsatz ausgegeben, Nachbarschaften terrorisiert, Häuserblöcke abgesperrt und Protestierende verprügelt - einzig mit dem Ziel der Durchsetzung der Staatsräson.

2.500 Menschen demonstrieren gegen Polizeiangriff

Am Abend versammelten sich in Friedrichshain erneut 2.500 Menschen, die ihren Protest über den Polizeieinsatz zum Ausdruck brachten. Die kämpferische Demonstration zog durch die Straßen der Stadt. An mehreren Stellen kam es zu kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei, die auf Demonstrant:innen einprügelte und viele auch mit Pfefferspray verletzte. Dabei wurden mindestens sieben Personen festgenommen. Die Demonstration zeigte erneut die Verankerung des Hausprojekts im Kiez und die Bedeutung der Rigaer Straße als Vorkämpferin gegen die Gentrifizierung des ganzen Stadtbezirks.

 

Die intensivsten Tage des Kampfes, die wir uns hätten vorstellen können“

In einer Erklärung bedankte sich die Rigaer Straße für die Unterstützung und erklärte zu den vergangenen zwei Tagen: „Es waren die intensivsten Tage des Kampfes, die wir uns hätten vorstellen können. Tage, die die Pläne von Staat und Kapital in eine Katastrophe verwandelt haben. Eine wichtige Erinnerung an uns selbst, unser Kollektiv und unsere Unterstützer:innen, wie wichtig unsere Netzwerke, unsere solidarische Infrastruktur und Selbstorganisation sind.“

Autonome Zone als Antwort auf Rote Zone

Insbesondere die Verteidigung des Kiezes gegen den Aufbau einer „Roten Zone“ durch die Polizei zeige, dass die „richtigen Schlüsse aus den Aggressionen von Staat und Immobilienwirtschaft gegen die Menschen, die in dieser Stadt leben“ gezogen wurden. Denn mit der „Errichtung von Gefahrengebieten und Roten Zonen, in denen die Menschen zu einfachen Zielen für die Bullen werden“ solle ein Klima der Isolation und Angst geschaffen und Protest verhindert werden.

48 Stunden Widerstand

In der Erklärung heißt es weiter: „Mit der nötigen Konsequenz haben wir es daher alle zusammen über 48 Stunden geschafft, lokal und dezentral offensiv auf die Straße zu gehen und unsere Strukturen und Ideen militant zu verteidigen und Druck auf unsere Feinde aufzubauen, bevor sie überhaupt ihre repressive Operation starten konnten. Wir haben uns dazu entschieden nicht darauf zu warten, dass die Lakaien des Staates wieder eine Zone aufbauen, in der sie ohne Probleme autonome Strukturen und rebellische Nachbar:innenschaften ins Visier nehmen können. Darum wurde eine autonome Zone um die Rigaer 94 zu einer Stunde errichtet, in der die Cops sie nicht erwartet hätten. Die Straßen wurden zusammen mit vielen Menschen abgeriegelt und eine lange Zeit wurden die Barrikaden mit den Mitteln der autonomen Bewegung verteidigt. Bis zum Einsatz von schwerem technischen Gerät, einem Räumpanzer und zwei Wasserwerfern waren die Cops nicht in der Lage, in unsere Straße einzubrechen. Lasst uns diese Ereignisse als einen Vorschlag an alle Menschen in und außerhalb der Metropole verstehen, die anstehenden Angriffe zu beantworten. Nicht nur gegen die Rigaer 94, sondern auch gegen die Köpi, alle bedrohten Projekte und unsere Ideen, sowie jede staatliche Attacke und seine bloße Präsenz.

Organisierung zentrales Moment im Kampf gegen „erstickte Gesellschaft“

Aber der staatliche und kapitalistische Krieg sind noch nicht vorbei. Nicht nur werden sie einmal mehr versuchen die Rigaer 94 anzugreifen, sondern auch jede einzelne Struktur und jedes Individuum, die alltäglich gegen diese erstickte Gesellschaft kämpfen. Wir sollten uns weiter organisieren und unsere solidarischen Netzwerke ausweiten. Wir rufen dazu auf, die Kämpfe nicht nur im Nordkiez zu intensivieren und die Kontinuität dieser rebellischen Nachbarschaft zu stärken, sondern auch dezentral in jeder Ecke dieser Stadt.“