Heute wurden in Berlin neben fünf Privatwohnungen die Räumlichkeiten des kurdischen Vereins NAV-DEM Berlin sowie das kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit „Civaka Azad“ durchsucht. Dabei stürmten bewaffnete Vermummte das Gebäude, brachen Türen auf und beschlagnahmten Inventar.
Civaka Azad hat sich in einer Presseerklärung zu der Durchsuchung geäußert und geht davon aus, dass mit dieser Maßnahme kurdische Stimmen zum Schweigen gebracht werden sollen:
„Am frühen Morgen fanden in Berlin großangelegte Durchsuchungen bei kurdischen Aktivisten und kurdischen Vereinsräumlichkeiten statt. Betroffen hiervon sind auch die Räumlichkeiten unseres Büros. Nach bisherigen Erkenntnissen kam es um 5.30 Uhr zeitgleich zu Razzien in mindestens fünf Privatwohnungen. Um sechs Uhr wurden dann die Räumlichkeiten von NAV-DEM Berlin und Civaka Azad durchsucht. Grund für die Durchsuchungen soll ein von der Berliner Staatsanwaltschaft eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz sein.
Bei der Razzia in unseren Räumlichkeiten wurden mindestens zwei PC’s beschlagnahmt. Weiterhin wurden zahlreiche Türen beschädigt und die Inneneinrichtung des Büros verwüstet.“
„Angriff auf Meinungs- und Informationsfreiheit“
Im Namen des Vereins verurteilte Vorstandsmitglied Ali Cicek die Durchsuchungen der Polizei: „Unser Verein versteht sich als Informations- und Öffentlichkeitsarbeitszentrum, das versucht, die Stimme der kurdischen Bevölkerung an die deutsche Öffentlichkeit zu tragen. Die Durchsuchungen in unseren Räumlichkeiten verstehen wir als direkten Angriff auf die Meinungs- und Informationsfreiheit. Wir haben während des völkerrechtswidrigen Angriffs der türkischen Armee in Efrîn immer wieder die Rolle der Bundesregierung in diesem Krieg kritisiert und deutlich gemacht, dass mit deutschen Waffen Kriegsverbrechen begangen werden. Die aktuelle Razzia verstehen wir deshalb auch als Antwort der deutschen Behörden auf diese Kritik.”
Weiterhin macht Cicek darauf aufmerksam, dass die heutige Razzia sich in die Angriffe des türkischen Staates gegen die kurdischen und prokurdischen Medien in der Türkei einreiht. „Die kritische Presse in der Türkei steht unter enormen Druck. Unsere Arbeit ist stets auch darauf fokussiert, eine Brücke für diese kritischen Stimmen zu bilden. Doch aktuell geht es darum, die kurdische Stimme zum Verstummen zu bringen. Das ist wohl als Vorarbeit für umfassendere Angriffe gegen die kurdische Bevölkerung in Kurdistan, aber auch für weitere Repressionsmaßnahmen in Deutschland zu werten”, so Cicek.
Ulla Jelpke: „Dreiste Wahlkampfhilfe für Erdoğan“
Auch die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke verurteilte die Durchsuchungen scharf:
„Die heutigen Razzien bei kurdischen Vereinen in Berlin sind nicht anders zu bewerten denn als Wahlkampfhilfe für das Erdoğan-Regime in der Türkei“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. „Seit Tagen sind Mitglieder von NAV-DEM unentwegt auf der Straße, um Wahlkampf für die Demokratische Partei der Völker (HDP) in der Türkei zu machen und die Wahlurnen im türkischen Generalkonsulat vor Manipulationen zu bewachen. Denn nur mit dem Wiedereinzug dieser pluralen linken und demokratischen Partei in das türkische Parlament am 24. Juni ist eine oppositionelle Mehrheit gegen Erdoğans AKP möglich. Wegen dieser Bedrohung seiner autokratischen Herrschaft hat Erdoğan die HDP, deren Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtaş seit November 2015 in Untersuchungshaft festgehalten wird, für terroristisch erklärt. Dieser Sichtweise scheinen die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft zu folgen. Die fortgesetzte direkte und indirekte Unterstützung des Erdoğan-Regimes muss ein Ende haben!“