Vor dem Hintergrund zahlloser Beschwerden über Polizeikontrollen nach rassistischen Kriterien, sogenanntem Racial Profiling, hat die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, erneut eine Kleine Anfrage (Drucksache 19/28335 (ulla-jelpke.de) ) zur Zahl sogenannter „anlassloser Kontrollen“ durch die Bundespolizei gestellt. Bei diesen „anlasslosen Kontrollen“ liegt es alleine im Gutdünken des Bundespolizisten, wer verdächtig erscheint und einer solchen Kontrolle unterzogen werden sollte. So bilden sich die Ressentiments der Polizei direkt in ihrer Kontrollpraxis ab.
Das Bundespolizeigesetz verleiht den Polizisten weitreichende Befugnisse. Die Polizisten dürfen „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise (…) in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen (…), soweit anzunehmen ist, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, (…) jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen“, „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise“ die Identität einer Person feststellen und zum gleichen Zweck von einer Person mitgeführte Sachen durchsuchen. Während im Jahr 2019 2,95 Millionen verdachtsunabhängige Kontrollen durchgeführt wurden, blieb die Zahl 2020 mit 2,5 Millionen ebenfalls hoch.
„Kontrollen sind für Millionen von Menschen Alltagserfahrung“
Ulla Jelpke kommentiert die Zahl: „Beschwerden über rassistische Polizeikontrollen reißen nicht ab. Nach wie vor ist es für Millionen Menschen eine Alltagserfahrung, ohne sachlichen Grund von der Polizei verdächtigt, durchsucht oder nach dem Ausweis gefragt zu werden. Häufig geraten die Betroffenen allein aufgrund der Hautfarbe, der angenommenen Herkunft oder wegen eines religiösen Symbols in den Fokus polizeilicher Maßnahmen. Diese Praxis ist verfassungswidrig und muss endlich gestoppt werden.“
Europäische Kommission gegen Rassismus kritisiert Racial Profiling deutscher Polizisten
Viele Menschenrechtsorganisationen haben die grundgesetzwidrige Praxis des Racial Profiling durch die Bundespolizei scharf kritisiert. Auch die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) problematisierte in ihrem fünften Bericht über Deutschland „diskriminierende Praktiken“ der deutschen Polizei bei anlasslosen Kontrollen. Diese würden durch das Fehlen eines ausdrücklichen Verbots von Racial Profiling befördert. Der UN-Ausschuss gegen Rassismus zeigte sich im Staatenbericht 2015 ebenfalls „besorgt“ über die deutsche Gesetzgebung und polizeiliche Praxis solcher anlasslosen Kontrollen, die „de facto zu rassistischer Diskriminierung“ führten.
„Befugnis zu anlasslosen und verdachtsunabhängigen Kontrollen ersatzlos streichen“
Ulla Jelpke betrachtet die Antidiskriminierungsschulungen bei der Bundespolizei als nicht ausreichend und fordert ein Ende der Befugnis zu „anlasslosen Kontrollen“: „Das Innenministerium betont, dass Themen wie Antidiskriminierung und Menschenrechte in der Aus- und Weiterbildung der Bundespolizei eine zentrale Bedeutung hätten. Aufgrund der jahrelangen Proteste gegen Racial Profiling sieht man sich dort offenbar gezwungen, Interesse an einer Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus zumindest vorzutäuschen. Die besten Sensibilisierungsmaßnahmen nützen aber nichts, wenn sich an den rechtlichen Grundlagen, die rassistische Kontrollen ermöglichen, nichts ändert. Weitaus effektiver wäre es, die Befugnis zu anlass und verdachtsunabhängigen Kontrollen endlich ersatzlos zu streichen. Polizeiliche Maßnahmen dürfen nur stattfinden, wenn es einen konkreten Verdacht gibt und nicht, weil Menschen aufgrund ihres Aussehens pauschal als ‚gefährlich‘ und ‚kriminell‘ verdächtigt werden. Das empfiehlt im Übrigen auch der UN-Ausschuss gegen Rassismus.“