Der Protest am 7. Januar wurde von Evîn Goyî geplant

Der CDK-F-Vorsitzende Abdullah Ülmez ruft zur Teilnahme an der Demonstration zum Jahrestag des ersten Pariser Massakers auf und erinnert daran, dass die am 23. Dezember ermordete Evîn Goyî diesen Protest mit vorbereitet hat.

Am Samstag findet in Paris die Demonstration anlässlich des zehnten Jahrestages der Morde an Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) statt. Die drei kurdischen Revolutionärinnen waren am 9. Januar 2013 im Kurdistan-Informationszentrum in der Rue La Fayette Nummer 147 von einem türkischen Agenten ermordet worden. Dem diesjährigen Protest kommt aber eine weitere Bedeutung zu: Am 23. Dezember 2022 wurden Evîn Goyî (Emine Kara), Mîr Perwer (Mehmet Şirin Aydın) und Abdurrahman Kızıl bei dem Anschlag auf das Ahmet-Kaya-Kulturzentrum, ebenfalls in Paris, ermordet. Evîn Goyî gehörte zum Organisationskomitee der Aktionen aus Anlass des zehnten Todestages von Cansız und ihren Mitstreiterinnen. Das tödliche Attentat auf sie erfolgte zum Zeitpunkt eines Vorbereitungstreffens. Im ANF-Interview spricht der Vorsitzende des Demokratischen Kurdischen Rats in Frankreich (CDK-F), Abdullah Ülmez, über die bevorstehende Demonstration und die Morde von Paris.


Lassen Sie uns zunächst über die Demonstration am 7. Januar sprechen. Können Sie die Bedeutung dieser Aktion erläutern?

Bekanntlich wurden Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez am 9. Januar 2013 mitten in Paris von der Türkei, von türkischen Agenten des MIT, ermordet. Sie sind gefallen. Dieses Massaker wurde in Ankara organisiert und geplant und in Paris durchgeführt. Das zeigen sowohl die später in den Medien erschienenen Tonaufnahmen des Auftragsmörders als auch Geständnisse von MIT-Offizieren in den Händen der PKK. Als CDK-F haben wir die Informationen, die wir über Medien erhalten haben, sowie die Aussagen der gefangenen Geheimdienstler - die, wie Sie wissen, ebenfalls veröffentlicht wurden - im Rahmen des Verfahrens dem französischen Gericht vorgelegt. Es handelt sich also um ein Massaker, dessen Täter bekannt sind. Trotz der zehn Jahre, die vergangen sind, behandelt der französische Staat den Fall nur in Bezug auf den Mörder. Mit anderen Worten, die Haupttäter und vor allem Planer dieses Massakers, sind bis heute von der französischen Justiz nicht angeklagt. Es wurde kein Versuch unternommen, sie zu verfolgen. Dieses Jahr ist der zehnte Jahrestag des Massakers vom 9. Januar. Im Vorfeld dieses zehnten Jahrestages sagten wir: Das Staatsgeheimnis sollte aufgehoben und die Informationen, die sich in den Händen der französischen Justiz befinden, sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wir begannen die Vorbereitungen für diese Aktion vor drei Monaten mit der Forderung, dass die Haupttäter aufgedeckt und ein Prozess gegen sie eingeleitet werden sollte.

Es handelt sich bekanntlich um eine der größten Protestaktionen der kurdischen Gemeinschaft in Europa. Sie wird seit 2013 traditionell jedes Jahr in Paris veranstaltet. Natürlich ist es eine große Organisationsarbeit. Wir mussten schon Monate im Voraus mit den Vorbereitungen dafür beginnen. Diese Vorbereitungen wurden unter der Leitung von Evîn Goyî getroffen, die hier am 23. Dezember ermordet wurde. Sie war eine der Vorreiterinnen der Frauenbewegung in Frankreich. Wie man sagt, hat sich der Pulverdampf noch nicht gelegt, wir haben uns noch nicht einmal von diesem Schock erholt. Das ist die Situation. Dabei befindet sich die Sensibilität der französischen Öffentlichkeit ebenfalls auf einem Höhepunkt. Seit 2013 war die französische Öffentlichkeit vielleicht noch nie so sensibel für die Probleme der Kurd:innen und die Massaker, denen wir in Europa ausgesetzt sind. In einer solchen Atmosphäre gehen wir in die Woche des Massakers. Wir mussten unsere Vorbereitungen eigentlich von Anfang an neu überdenken, weil sich das Format völlig verändert hat. Wir kämpfen nicht mehr nur dafür, dass das Massaker aufgedeckt wird, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Jetzt müssen wir nach Rechenschaft für zwei Massaker fragen. Zwei Massaker, die sich fortsetzen und von denen wir glauben, dass sie von denselben Zentren aus geplant wurden. Wir werden dafür auf die Straße gehen. Man kann sagen, dass sich dadurch das Format sowohl verändert als auch vergrößert hat. In diesem Rahmen mussten wir unsere Vorbereitungen noch einmal überprüfen, natürlich ohne unser Bekenntnis zu den Grundsätzen und Perspektiven aufzugeben, die unsere Freundin Evîn vor drei, vier Monaten für diese Aktion vorgelegt hat, denn wir möchten betonen, dass ihre Fahne nicht am Boden liegen bleiben wird. Aber wie wir bereits erklärt haben, bekommt der Tag in diesem Jahr ein noch größeres Format.

Am 7. und 9. Januar werden Aktionen stattfinden. Gibt es Einzelheiten zur Planung für den 7. Januar? Welche Art von Demonstration wird organisiert? Wer ist eingeladen worden?

Die aktuelle Demonstration wurde unter der Leitung von Evîn entwickelt. Evîn plante für den 4. Januar eine Menschenkette für Gerechtigkeit, für den 7. Januar eine Protestaktion gegen das Massaker und für den 9. Januar eine offizielle Gedenkveranstaltung, die gemeinsam mit staatlichen Institutionen und der Stadt Paris vor dem Informationsbüro Kurdistan stattfinden sollte. Für den 12. Januar war eine Konferenz im Parlament geplant. Evîn war eigentlich die Architektin davon. Es wird so weitergehen wie bisher, an dieser Planung wird sich nichts ändern. Wir werden uns an die Grundsätze der von Evîn aufgestellten Planung halten und sie in diesem Rahmen durchführen. Sie haben die Aktion am Mittwoch verfolgt. Es handelte sich um eine Menschenkette für Gerechtigkeit. Es gab einen Schweigemarsch. Die Aktion am 7. Januar wird der eigentliche Gipfel dieses Prozesses sein. Kurdische Institutionen und Persönlichkeiten in Europa haben wichtige Aufrufe zu dieser Aktion gemacht. Mit dem Massaker vom 23. Dezember haben sich diese Forderungen noch verstärkt. Sie begannen, mit einer stärkeren Stimme aufzurufen. Die Forderung nach einem solchen Protest kommt auch aus verschiedenen Bereichen. In diesem Rahmen erwarten wir eine rege Beteiligung der in Frankreich, den Nachbarländern und den anderen europäischen Staaten lebenden Kurdinnen und Kurden. Wir erwarten sogar eine viel höhere Beteiligung als in den vergangenen Jahren.

Auch unsere technischen Vorbereitungen gehen in diese Richtung. Wir erwarten einen Zustrom, der sich im Vergleich zu den Vorjahren verdoppelt oder verdreifacht. Auch die Nachrichten, die wir erhalten haben, weisen darauf hin. Wir wissen, dass in Deutschland, den Niederlanden und Belgien bereits Busse angemietet und Vorbereitungen getroffen worden sind. Auch hier wissen wir, dass die Menschen an diesem Tag mit ihren eigenen Fahrzeugen, Zügen und anderen Fahrzeugen nach Paris kommen werden. Dies ist eine Dimension. Wir erwarten, dass die in Europa lebenden Kurdinnen und Kurden am 7. Januar um 10 Uhr nach Paris strömen werden.

Die zweite Ebene ist, dass wir von hier aus einen Aufruf an alle französischen Mandatsträger:innen und Bürgermeister:innen gerichtet haben. Wir erwarten, dass etwa 300 französische Mandatsträger:innen an der Demonstration am 7. Januar teilnehmen werden. Bis jetzt haben wir etliche konkrete Antworten auf unsere Einladung erhalten, darunter Bürgermeister:innen, Parlamentarier:innen und Mitglieder der unteren Gemeinderäte. Wir haben uns auch an die großen Gewerkschaften in Frankreich gewandt, wie die CGT und Solidar. Sie sagten, sie würden mit ihren eigenen Fahnen, ihren eigenen Farben, ihren eigenen Bannern teilnehmen. Mit anderen Worten: Die großen französischen Gewerkschaften werden ebenfalls an der Demonstration teilnehmen. Auch wurden über die Frauenbewegung TJK-F Aufrufe an in Frankreich aktive feministische Organisationen gerichtet. Viele feministische Organisationen werden ebenfalls teilnehmen. Wir erwarten die Teilnahme von Vertreterinnen aus fast 40 feministischen Organisationen. Darüber hinaus werden sich ökologische Kreise, linke sozialistische Kreise, politische Parteien, gewählte und nicht gewählte Vertreterinnen und Vertreter politischer Parteien an dieser Aktion beteiligen. Bis jetzt haben wir viele positive Rückmeldungen erhalten. Wir haben sogar E-Mails und Briefe von denjenigen erhalten, die wir nicht erreichen konnten, in denen sie ihre Teilnahme zugesagt haben. In dieser Hinsicht wird es eine intensive Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen geben, die die gewissenhaften Teile der öffentlichen Meinung in Frankreich repräsentieren.

Die dritte Ebene ist, dass wir eine große Beteiligung von Exilorganisationen der Diaspora aus der Türkei erwarten. AFTİT, AVEGKON, alevitische Organisationen, Frauenorganisationen aus der Türkei, Arbeiterorganisationen, linkssozialistische Organisationen, Freund:innen und Genoss:innen, die seit dem ersten Tag, ja seit dem Massaker am 23. Dezember an unserer Seite stehen und unseren Schmerz zu ihrem Schmerz gemacht haben, werden ebenfalls an der Demonstration teilnehmen.

Die Hauptgruppe machen natürlich die Kurd:innen aus, die in und um Paris und in anderen französischen Städten leben. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir sagen, dass die Wachsamkeit innerhalb der in Frankreich lebenden kurdischen Gemeinschaft sich auf höchstem Niveau befindet. Bei der Abschieds- und Gedenkfeier, über die in allen Medien berichtet wurde, haben wir eine große Anteilnahme erlebt. Diese Atmosphäre lässt sich nicht nur durch Masse ausdrücken. In dieser Atmosphäre gibt es ein greifbares Eintreten, das die Menschen in Kurdistan spüren können. Was wir wirklich wollen, ist, diesen Geist des Eintretens für die Ermordeten zu erweitern und ihn für die ganze Welt sichtbar zu machen. Die ganze Welt sollte spüren, was für eine große Ungerechtigkeit, was für eine große Grausamkeit und was für eine großes Verbrechen es ist, mit dem die Kurdinnen und Kurden in dieser Stadt zum zweiten Mal innerhalb von zehn Jahren konfrontiert werden. Diese Situation muss von Frankreich, der europäischen Öffentlichkeit und der ganzen Welt verstanden und anerkannt werden. Es sollte klar sein, dass sich die Kurdinnen und Kurden jetzt nicht wie früher verhalten werden. Es muss klar sein, dass kurdisches Blut nicht billig ist, dass das Vergießen von kurdischem Blut nicht einfach ist. Mit der Demonstration am 7. Januar werden die Kurdinnen und Kurden ihre demokratische Haltung und ihre politische Einstellung auf einen neuen Höhepunkt bringen. Das ist unsere Überzeugung und unser Wunsch.