PPT Rojava vs. Türkei: Tel Rifat

Das Ständige Volkstribunal tagt derzeit in Brüssel. Es untersucht die türkischen Angriffe auf Rojava zwischen 2018 und 2024 und stellt diese in einem breiten und dokumentierten Format zur Überprüfung. Ein Schwerpunkt waren Kriegsverbrechen in Tel Rifat.

Juristin Rengin Ergül

Das Ständige Volkstribunal (PPT) hält seine aktuelle Sitzung am 5. und 6. Februar an der Freien Universität Brüssel ab. Es untersucht Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Türkei und mit ihr verbündete dschihadistische Gruppen in Nord- und Ostsyrien zwischen 2018 und 2024.
Zu Gast sind Rechtsanwält:innen und Menschenrechtsaktivist:innen sowie Opfer und Augenzeug:innen von Angriffen aus verschiedenen Ländern. Der türkische Staat verzichtet trotz Einladung darauf, seine Verteidigung vorzutragen.

Eröffnung und erster Fall

Das „Permanent People’s Tribunal“ wurde gestern mit einer Rede von Gerrit Loots eröffnet. Daraufhin ordneten zunächst Jan Fermon und Ceren Uysal vom Team der Anklage die Verbrechen der Türkei in die dahinter liegenden Strategien ein, wie beispielsweise die Kontrolle und Nutzung von Wasser als „strategisches Instrument für den Krieg gegen die Kurd:innen“.
Der Ermittler der Staatsanwaltschaft, Efstathios C. Efstathiou, stellte dann den ersten Fall, die türkischen Kriegsverbrechen in Efrîn, vor. Der Fokus wurde dabei auf die „Vertreibung der Bevölkerung und ‚ethnisches Engineering‘“ gelegt.

Zweiter Fall: Türkische Massaker in Tel Rifat

Der zweite Fall, der dem Ständigen Volkstribunal vorgelegt wurde, war den „Massakern, Bombardierungen und Folterungen von vertriebenen Zivilist:innen in Tel Rifat“ im Jahr 2019 gewidmet. Der Fall wurde von der Rechtsanwältin Rengin Ergül vorgetragen.
Die Juristin legte dar: „Am 2. Dezember 2019, zwischen 13:30 und 14:00 Uhr, schlug eine Granate in eine Garagen-Siedlung in Tel Rifat, Şehba, Gouvernement Aleppo, ein. Der Einschlag führte zu erheblichen Opfern unter der Zivilbevölkerung: Zehn Personen, darunter acht Kinder unter 15 Jahren, wurden getötet und 17 weitere verletzt, darunter neun Kinder unter 15 Jahren. Etwa zwei bis drei Stunden später wurde eine zweite Granate auf dasselbe Gebiet abgefeuert, was auf einen gezielten Angriff auf ein von Zivilist:innen bewohntes Gebiet ohne militärische Einrichtungen schließen lässt.

UN bestätigten: alle Getöteten waren vertriebene Zivilpersonen aus Efrîn

Der angegriffene Ort war dafür bekannt, dass sich dort Vertriebene aus Efrîn aufhielten, das seit der ‚Operation Olivenzweig‘ im Jahr 2018 unter türkischer Besatzung steht, und befand sich in unmittelbarer Nähe einer Einrichtung des Roten Halbmonds. Unter den Opfern befand sich M.s sechsjähriger Sohn Aarif Muhammad Jafar, der seinen Schrapnellverletzungen erlag, während ihr siebenjähriger Sohn Ahmad Jafar Mohamad schwere Splitterverletzungen an Hüfte und Unterarm erlitt. Der Angriff verursachte auch ein schweres psychologisches Trauma bei Ahmad und seiner Mutter. Eine Erklärung der Vereinten Nationen bestätigte, dass es sich bei allen Getöteten um Zivilpersonen handelte, die aus Efrîn in das Gebiet geflohen waren. Die Erklärung verurteilte außerdem zivile Opfer in anderen Konfliktzonen und forderte alle Parteien auf, wahllose Angriffe einzustellen und die Staaten, die den Konflikt unterstützen, zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufzufordern.“

Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert

Nachdem sie Video- und Fotobeweise für die gezielte Tötung von Zivilist:innen vorgelegt hatte, erklärte die Rechtsanwältin Ergül: „Die vorliegenden Beweise sprechen eindeutig dafür, dass es sich bei dem Angriff auf Tel Rifat um einen gezielten Angriff auf Zivilpersonen handelt, der gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Die militärische Beteiligung der Türkei und die operative Kontrolle über die SNA-Kräfte belegen die staatliche Verantwortung. Angesichts der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die dokumentiert wurden, sollten auf internationaler Ebene rechtliche Mechanismen zur Rechenschaftslegung angestrebt werden.“

Veranstalter:innen

Veranstaltet wird das Tribunal von folgenden Organisationen: Committee of Justice and Law, Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), Center for Research and Protection of Women’s Rights, Menschenrechtsorganisation aus Cizîrê und Efrîn, MAF-DAD e.V., ELDH, IADL, KNK, Kurdisches Institut Brüssel, Vrije Universiteit Brussel

Livestream

Das Tribunal wird auf YouTube live übertragen: https://www.youtube.com/live/H_7oBEVpjqI