Plädoyers der Verteidigung im PKK-Verfahren in Stammheim
Die Verteidiger*innen der fünf kurdischen Angeklagten im PKK-Prozess in Stuttgart-Stammheim werden am 15. April plädieren. Die Bundesanwaltschaft fordert jeweils mehrjährige Freiheitsstrafen.
Die Verteidiger*innen der fünf kurdischen Angeklagten im PKK-Prozess in Stuttgart-Stammheim werden am 15. April plädieren. Die Bundesanwaltschaft fordert jeweils mehrjährige Freiheitsstrafen.
In dem Hauptverfahren nach §§ 129a/b StGB gegen vier Kurden und eine kurdische Aktivistin, das am 19. April 2019 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart eröffnet wurde, werden am 15. April die Verteidiger*innen der Angeklagten plädieren, teilt der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland – AZADÎ e.V. mit:
Während kurdische Aktivist*innen in den meisten Verfahren ausschließlich wegen ihrer politischen Betätigung in der BRD vor Gericht stehen, bildet das Stuttgarter Verfahren eine Ausnahme. Neben einer mutmaßlichen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung der kurdischen Freiheitsbewegung PKK, sehen sich die Angeklagten auch mit individuellen Straftaten konfrontiert. Diese beruhen allerdings auf den widersprüchlichen und unglaubwürdigen Aussagen des Kronzeugen Ridvan Ö., die teilweise mit Beweisanträgen der Verteidigung eindeutig widerlegt werden konnten. Selbst die Bundesanwaltschaft musste in ihrem Plädoyer am 25. März einräumen, dass sich die Angaben ihres Zeugen nicht bestätigt haben. Dennoch forderte sie für die Angeklagten bis auf eine Ausnahme jeweils mehrjährige Freiheitsstrafen.
Um deutlich zu machen, was es heißt, vom türkischen Regime mit staatsterroristischen Methoden verfolgt zu werden und Kurd*innen keine andere Alternative als Assimilation oder Tod zugestanden werde, ist das Gericht dem Beweisantrag der Verteidigung gefolgt, eine Reihe von Videos über die Zerstörung von Städten und Wohnvierteln in Nordkurdistan (Südosttürkei) in den Jahren 2015/16 zu zeigen. Hierbei handelte es sich um Videos, die türkische Soldaten in den digitalen Medien verbreitet hatten. In ihnen waren u.a. Polizeiüberfälle auf Zentralen der HDP und Folterungen an Arbeitern in Nisêbîn (türk.: Nusaybin) zu sehen. Außerdem wurde ein Radiobeitrag von Mehmet Tunç, Ko-Vorsitzender des Volksrats von Cizîr (türk.: Cizre) abgespielt, der in einem der Todeskeller der Stadt ums Leben kam. Dutzende Menschen sind dort bei lebendigem Leib von „Sicherheits“kräften verbrannt worden.
In diesem Zusammenhang wollen wir auch auf den Fall der aus Cizîr stammenden kurdischen HDP-Aktivistin Nazdar Ecevit aufmerksam machen. Sie sollte ursprünglich am 8. April vom Frankfurter Flughafen in die Türkei abgeschoben werden. Die Abschiebung konnte verhindert werden; Nazdar Ecevit wurde ins Abschiebezentrum Darmstadt verbracht.
Die Aktivistin war im Sommer 2016 vor dem staatlichen Terror in die BRD geflohen und hatte um politisches Asyl ersucht, das abgelehnt wurde. Jetzt geht es darum, mit politischen und juristischen Mitteln gegen eine Abschiebung und für ein Bleiberecht zu kämpfen.
Der Prozess und der Fall von Nazdar Ecevit machen exemplarisch offenbar, welche Folgen die deutsch-türkischen Interessensbeziehungen und die gemeinsam praktizierte Kriminalisierung kurdischer und linker türkischer Organisationen für jede*n Einzelnen haben. Deshalb ist auch hier ist der politische und juristische Kampf notwendig, um dem Denken und Handeln perspektivisch eine andere Richtung zu geben.
Diese Aspekte werden die Verteidiger*innen der in Stuttgart angeklagten Veysel S., Agit K., Özkan T., Cihan A. und Evrim A. in ihren Vorträgen ausführlich darlegen.
Die Verhandlung findet am Donnerstag, 15. April 2021, ab 9.00 Uhr, Saal 1, Asperger Str. 47 in Stuttgart-Stammheim statt. Denkbar ist, dass die Plädoyers am 16. April fortgesetzt werden. Ein Termin für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest.