PKK-Verfahren vor dem EuGH
Am Montag fand vor dem Europäischen Gerichtshof eine Anhörung zur Streichung der PKK von der EU-Terrorliste statt. Die Entscheidung des Gerichts wird voraussichtlich im Herbst bekanntgegeben.
Am Montag fand vor dem Europäischen Gerichtshof eine Anhörung zur Streichung der PKK von der EU-Terrorliste statt. Die Entscheidung des Gerichts wird voraussichtlich im Herbst bekanntgegeben.
Am Montag fand vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die Anhörung zur Streichung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von der EU-Terrorliste statt. Das Urteil in dem Verfahren wird voraussichtlich im Herbst bekanntgegeben.
Gericht: Keine ersichtlichen terroristischen Aktionen im vergangenen Jahrzehnt
Auf Bestreben der PKK-Exekutivratsmitglieder Murat Karayilan und Duran Kalkan hatte das niederländische Anwaltsbüro Prakken d’Oliveira im Mai 2014 Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht, um die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste zu erwirken. Seit 2002 wird die PKK auf Wunsch der türkischen Regierung in der vom Rat der Europäischen Union in sechsmonatigen Abständen aktualisierten Liste geführt. Vertreten wurde die PKK gestern vor dem EuGH von den Rechtsanwältinnen Marieke van Eik und Tamara Buruma. Als Nebenklägerinnen für die weitere Listung traten der EU-Rat, die EU-Kommission sowie Frankreich und Großbritannien auf. Eine handfeste Argumentation auf die Frage des Gerichts, weshalb die Nebenklage darauf bestehe, die PKK auf der EU-Terrorliste zu führen, da es in den vergangenen zehn Jahren zu keiner ersichtlichen terroristischen Aktion der PKK gekommen sei, wurde nicht hervorgebracht.
Haltlose Behauptungen
Die Anhörung begann mit der Verteidigungsrede der Klägerinnen. Marieke van Eik und Tamara Buruma betonten, dass es sich bei den Ereignissen in Kurdistan nicht um „terroristische Akte“, sondern um einen Krieg handelt. Infolgedessen könne es zu Verlusten kommen. Die PKK werde auf Betreiben des türkischen Staates auf der sogenannten schwarzen Liste der EU geführt. Als wesentliche Begründung werden der PKK etwa 70 Taten zur Last gelegt, die auf in den türkischen Medien erschienenen Artikeln beruhten und nicht weiter untersucht worden seien. Dementsprechend handele es sich dabei um haltlose Behauptungen.
PKK hat sich an Kriegsrecht gehalten
Mit dem Hinweis, dass sich die türkische Presse nicht neutral verhalte, klärte die Klägerinnenseite das Gericht über einige von staatlichen Sicherheitskräften an der kurdischen Zivilbevölkerung verübten Massaker auf, die der PKK zugeschrieben wurden. „Trotz der Tatsache, dass die PKK bestimmte Vorfälle auf das Schärfste verurteilt hat, wird der Schein bewahrt, als sei die PKK dafür verantwortlich. Bei Betrachtung der Vorfälle mit zivilen Opfern wird deutlich, dass sie eigens dafür durchgeführt wurden, um die Arbeiterpartei Kurdistans in eine schwierige Lage zu bringen“, sagten van Eik und Buruma und betonten, dass sich die PKK stets an das Kriegsrecht gehalten hat.
Der türkische Staat behaupte, unter dem Deckmantel der „Terrorismusbekämpfung“ gegen die PKK vorzugehen, dabei terrorisiere er im Grunde ein gesamtes Volk und sei die Seite des Konflikts, die zivile Opfer fordere, hieß es weiter.
Großbritannien, Frankreich und EU-Rat sind involviert
Im Anschluss an die Verteidigungsrede der Exekutivratsmitglieder der PKK bezogen die Vetreter*innen des EU-Rates und der EU-Kommission Stellung. Beide Institutionen argumentierten, die PKK würde ihre terroristischen Aktionen fortsetzen und müsse weiterhin auf der Terrorliste geführt werden. Auch Frankreich und Großbritannien betonten eine Notwendigkeit für die fortlaufende Listung der PKK als Terrororganisation.
Wie lautet Argumentation für Listung als Terrororganisation?
Im Anschluss beantworteten die Anwält*innen beider Seiten Fragen des Gerichts. Auf die Frage: „Die EU-Terrorliste wird in Abständen von sechs Monaten aktualisiert. Wenn Sie sich das letzte Jahrzehnt vor Augen halten, warum bestehen Sie auf eine weitere Listung der PKK auf der Liste, obwohl es zu keinen ersichtlichen terroristischen Aktionen gekommen ist?“, argumentierte der stellvertretende Rechtsbeistand der Türkei mit Vorfällen aus der älteren Vergangenheit und erklärte, dass die USA, Frankreich und Großbritannien die PKK ebenfalls als Terrororganisation einstufen. Das Gremium gab an, die Urteile anderer Staaten nicht als ausreichend zu erachten und forderte die Vertretung auf wiederzugeben, was die Meinung des EU-Rates sei. Die Begründung der Seite des EU-Rates lautete: „Auch wenn die PKK keine Terrorakte begeht, so hat sie trotzdem das Potenzial“.
PKK keine Terrororganisation
Die Anwältinnen der PKK-Exekutivratsmitglieder argumentierten, die von der PKK durchgeführten Aktionen können nicht im Terrorismus-Kontext eingestuft werden, da sie sich gegen militärische Kräfte richteten. „Es ist nicht korrekt, Handlungen zwischen zwei militärischen Kräften als Terrorismus zu bewerten. Alle Aktionen der PKK haben im Rahmen der Selbstverteidigung stattgefunden“, lautete die Erklärung. Die PKK, die auch Friedensgespräche mit dem türkischen Staat geführt habe, führe einen nationalen Befreiungskampf und werde sowohl von der Türkei als auch von internationalen Kräften als Gesprächspartner angesehen. „Die PKK kann aufgrund ihres Kampfes gegen die Terrororganisation Islamischer Staat nicht als terroristische Vereinigung eingestuft werden“, unterstrich die Klägerinnenseite und forderte das Gericht auf, dies zu berücksichtigen.
Anwältinnen: Anhörung verlief positiv
Auf einer anschließenden Pressekonferenz gaben die Anwältinnen Marieke Van Eik und Tamara Buruma an, dass die Anhörung positiv verlaufen sei. „Unsere hervorgebrachten Argumente wurden ausgiebig diskutiert. Der wichtigste Aspekt der Anhörung war jedoch die Tatsache, dass die Diskussion ‚Besteht das Recht, einen bewaffneten Kampf gegen ein repressives Regime zu führen‘ aufgegriffen wurde“, erklärten van Eik und Buruma.
Zu ihrer Argumentation vor Gericht, die Aktionen der PKK können nicht als terroristische Aktivitäten eingestuft werden, gaben die Anwältinnen an:
„Damit rechtlich gesehen eine faire Begründung für das zu entscheidende Urteil zu Grunde gelegt werden kann, haben wir unsere Argumentation auf diese Weise ausgelegt. Insbesondere ein Mitglied des Gremiums richtete an die Vertreterseite des EU-Rates die Frage, ob es Bemühungen gebe festzustellen, ob auf Seiten der PKK das Potenzial und die Absicht bestehe, Terrorakte zu verüben. Dies war eine äußerst wichtige Frage, deren Antwort lautete, dass Großbritannien im Jahr 2001 dementsprechend geurteilt hat. Wir haben darüber gesprochen, dass sich seit 2001 sehr viel verändert hat und insbesondere den Friedensprozess hervorgehoben. Auch haben wir das Gericht an den Kampf gegen den IS erinnert und dargelegt, dass die Argumentation des EU-Rates hinfällig ist.“
Urteil könnte aufgehoben werden
„Zwei Urteile könnten nach dieser Anhörung aufgehoben werden. Dazu gehören zum einen das Urteil von 2014, die PKK auf die EU-Terrorliste zu setzen, und zum anderen das Urteil aus 2015, in dem der EU-Rat als Gründe für die Listung der PKK militärische Zusammenstöße als Terrorakte bezeichnet. Wir hatten den Eindruck, dass das richterliche Gremium diese Ansichten nicht teilt, sondern eine zum EU-Rat entgegengesetzte Anschauungsweise vertritt.“
PKK sensibel gegenüber Zivilisten
„Wir haben betont, dass die PKK sehr aufmerksam gegenüber der Zivilbevölkerung ist und grundsätzlich anstrebt, ihre Aktionen in einem Rahmen durchzuführen, ohne die Zivilbevölkerung zu beeinträchtigen. Außerdem haben wir angebracht, dass die PKK Vorkehrungen trifft, um eben zivile Opfer zu vermeiden. Gelegentlich nicht auszureichende Vorkehrungen diesbezüglich, die auf Individuen zurückzuführen sind, können keine Argumentation zu einer Bestrafung einer gesamten Organisation liefern. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass die PKK eben diejenigen bestraft hat, die nicht die erforderliche Sensibilität gegenüber Zivilist*innen aufgebracht haben.“
EU-Länder sollten positivem Urteil Folge leisten
„Sollte ein von diesem Gericht entschiedenes positives Urteil eine handfeste Argumentation hervorbringen, so wird es wichtige Auswirkungen haben. Alle Länder der EU müssen ein solches Urteil akzeptieren. Auch alle Urteile der EU-Länder in diesem Kontext werden aufgehoben und zu Unrecht benachteiligten Personen werden ihre Rechte zurückgesprochen.
Selbstverständlich sollten sich die Kurd*innen nicht ausschließlich auf das Urteil in diesem Fall verlassen und ihre Lobbyarbeiten fortsetzen, damit die Streichung der PKK auf der EU-Terrorliste gewährleistet werden kann.“
Der Europäische Gerichtshof wird seine Entscheidung in diesem Fall voraussichtlich im Herbst oder gegen Ende des Jahres 2018 bekanntgeben.