PKK-Symbol auf Istanbuler Kinderspielplatz?

Die Modernisierung eines Kinderspielplatzes in Istanbul sorgt für eine groteske Kontroverse in der Türkei. Kritiker wittern Propaganda für die PKK, der stellvertretende Bezirksbürgermeister musste gehen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Ein Kinderspielplatz in der Bosporus-Metropole Istanbul ist derzeit Gegenstand einer Kontroverse, über die man sich uneins ist, ob sie denn nun grotesk oder eher kafkaesk ist. Im Zentrum stehen der in der Türkei als Terrorsymbol verachtete Stern und – wie sollte es auch anders sein, die kurdischen Farben rot, gelb und grün.

Kinderspielplatz im Atatürk-Park im Istanbuler Bezirk Küçükçekmece nach der Modernisierung

Der Vorfall erinnert an die dunkle Zeit der neunziger Jahre, als in einigen Regionen der kurdischen Gebiete, zum Beispiel in Êlih (türk. Batman), die grünen Leuchtsignale der Verkehrsampeln durch blaue ersetzt wurden, nachdem die Abteilung „Beziehungen zur Gesellschaft” des Nationalen Sicherheitsrats mit einem Geheimdekret vom 18. Juni 1993 das Zeigen der Farbkombination Rot-Gelb-Grün untersagte. Êlih galt damals als Hochburg der religiös-extremistischen Terrororganisation Hizbullah (nicht zu verwechseln mit der Hisbollah im Libanon), die vom türkischen Staat systematisch als Gegengewicht zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gefördert wurde. In der Hochphase des Krieges, von 1991 bis 1996, wurden allein in Êlih über 600 Menschen von der Hizbullah ermordet. Währenddessen debattierte das Parlament über äußerst belangvolle Anträge, in denen es unter anderem darum ging, die in „kurdischen Farben” gehaltene Bepflanzung im Parlamentsgarten zu entfernen.

Arbeiter entfernen den Bodenbelag auf dem Spielplatz

Schauplatz der aktuellen Debatte ist eine Spielfläche in Küçükçekmece, einem Stadtteil auf der europäischen Seite von Istanbul. Vor einigen Tagen kündigte die CHP-geführte Bezirksverwaltung an, im Rahmen eines Projekts für die Modernisierung von Kinderspielplätzen den Atatürk-Park im Viertel Istasyon erneuert zu haben. Kaum waren die Bilder aus Vogelperspektive bei Twitter und Co gezwitschert, hagelte es massive Beschwerden über das Muster des Bodenbelags – wegen Ähnlichkeit zur Fahne der PKK. Deren Erkennungszeichen besteht aus einem roten Stern in gelber Sonne auf grünem Grund. Die Farbstellung im Bodenbelag des Parks ist zwar etwas anders, erinnert fühlt man sich gleichwohl.

Kinderspielplatz ohne „Terrorpropaganda"

Die regierungstreuen Pool-Medien und ihre Schreiberlinge witterten sie sofort, die heiße Spur zum „Beweis der Waffenbrüderschaft zwischen PKK und CHP“. Andere wiederum sahen die „verblüffende Ähnlichkeit“ mit der Fahne der Volksverteidigungseinheiten YPG. Die Kommunalverwaltung von Küçükçekmece veröffentlichte umgehend eine Klarstellung und bat die Öffentlichkeit um Entschuldigung. Tief getroffen sei man wegen der negativen Kommentare zum Design des Parkbelags, zu keinem Zeitpunkt habe es in der Absicht der Behörde gelegen, an irgendein Symbol zu erinnern. Außerdem wurde angekündigt, den Bodenbelag zu entfernen, da die „Empfindsamkeit der Bürger die eigene Empfindsamkeit“ sei.

Doch zu spät: der Provinzgouverneur Ali Yerlikaya, der im Mai 2019 als Interimsbürgermeister von Istanbul eingesetzt worden war, nachdem die Bürgermeisterwahl vom 31. März annulliert und Ekrem Imamoğlu (CHP) das Mandat entzogen wurde – um es ihm nach der Wahlwiederholung erneut zu erteilen – hatte sich bereits eingeschaltet und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. In der Folge wurden der stellvertretende Bürgermeister sowie der Direktor des Garten- und Forstamtes von Küçükçekmece aus dem Dienst entlassen – wegen der Schwere des begangenen Dienstvergehens. Zu nah sei das Muster des Bodenbelags vom Spielplatz an der Flagge der „Terrororganisation“. Inzwischen ermittelt auch die Generalstaatsanwaltschaft in Istanbul gegen die entlassenen Beamten.