Petition fordert Anerkennung von IS-Genozid durch Bundestag

Die Stelle für Jesidische Angelegenheiten e.V. fordert in einer Petition die Anerkennung des IS-Genozids durch den Bundestag. Die Mitzeichnungsfrist endet am 23. September.

Der jüngste Völkermord in der Geschichte der Ezidinnen und Eziden begann am 3. August 2014. An jenem Tag fiel die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Şengal ein, um die ezidische Gemeinschaft auszulöschen. Es folgten: Massenmord an Männern, Verschleppung und Versklavung der Frauen und Mädchen, Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten, die Flucht unzähliger Menschen. Mindestens 10.000 Angehörige dieser uralten Religion fielen Schätzungen nach den Massakern des IS zum Opfer. Mehr als 400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt, bis heute werden 2.800 Frauen und Kinder vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.

Die Regierungen einiger Länder, zuletzt Belgien und die Niederlande, die Vereinten Nationen (UN) und das Europäische Parlament haben die Taten des IS bereits als Völkermord anerkannt. Eine Petition der Stelle für Jesidische Angelegenheiten e.V. fordert nun, dass auch der Bundestag nachzieht und den Genozid als solchen anerkennt. Die Petition ist auch auf der Webseite www.genozid2014.de zu erreichen, die Mitzeichnungsfrist endet am 23. September.

Die Anerkennung eines Völkermords als historische Tatsache ist ein wichtiger Schritt für dessen Aufarbeitung, die Bestrafung und Sanktionierung von Täterinnen und Tätern sowie zur Verhinderung weiterer Verbrechen. In Deutschland wurde der Genozid an den Ezidinnen und Eziden bereits nach dem Weltrechtsprinzip geahndet, drei IS-Terroristen sind von deutschen Gerichten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden. Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Straflosigkeit und ein ernstzunehmendes Warnsignal für Tatbegehende – aber nicht ausreichend.

Ezidische Minderheit bleibt gefährdet

Denn auch sieben Jahre nach dem letzten Ferman, wie Ezid:innen den Völkermord bezeichnen, ist ihre Situation weiterhin prekär. Der IS ist zwar militärisch besiegt, doch die Sicherheitslage in Şengal bleibt labil. Die Region steht im permanenten Fokus des türkischen Staates, erst vor wenigen Wochen bombardierte der NATO-Partner ein Krankenhaus in Şengal. Neben vier Mitgliedern der ezidischen Widerstandseinheiten YBŞ, die sich in Reaktion auf den Genozid zur Selbstverteidigung gründeten, kamen vier Gesundheitsbedienstete der Klinik ums Leben. Einen Tag zuvor wurden der YBŞ-Kommandant Seîd Hesen und dessen Neffe bei einem türkischen Drohnenangriff in Şengal getötet. Bei der irakischen Zentralregierung in Bagdad herrscht jedoch Gleichgültigkeit, für sie hat die ezidische Minderheit keine Priorität. Auch der Wiederaufbau in Şengal hat kaum begonnen. Nur wenige vertriebene Ezidinnen und Eziden sind in ihre Siedlungsgebiete zurückgekehrt, über leben in den großen Flüchtlingslagern rund um die südkurdische Stadt Dihok. Die humanitäre Versorgung dort ist desaströs.