Organklage wegen Polizeiaktion im Bundestag

Während des Erdoğan-Besuchs im vergangenen September in Berlin drang die Polizei in das Bundestagsbüro des Linken-Abgeordneten Michel Brandt ein und entfernte unter anderem ein YPG-Plakat. Brandt sieht seine verfassungsmäßigen Rechte verletzt.

Aus Protest gegen den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im vergangenen September in Berlin war es bundesweit zu heftigen Protesten gekommen. Auch Michel Brandt, Politiker der Fraktion DIE LINKE. und Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, protestierte gegen den Staatsempfang Erdoğans und brachte dazu farbige Ausdrucke von Fotos der Flagge der Föderalen Region Kurdistans sowie des Wimpels der Volksverteidigungseinheiten YPG an den Fenstern seines Bundestagsbüros an. Die Bundestagspolizei drang deshalb in Abwesenheit des Abgeordneten in das Büro ein und entfernte die Ausdrucke. Sie argumentierte, dass Erdoğan-Anhänger sich davon provoziert fühlen könnten. Michel Brandt sieht seine verfassungsmäßigen Rechte verletzt - und hat deshalb in Karlsruhe eine Organklage gegen Bundestagspräsident Schäuble eingereicht.

Der Bundestagspräsident besitzt in den Liegenschaften des Parlaments das Hausrecht und die Polizeigewalt. Diese eigenständige Kompetenz soll den Bundestag vor Einflussnahmen durch die Exekutive und die Judikative schützen. Um das zu gewährleisten, gibt es eine eigene Polizei beim Deutschen Bundestag, die dem Parlamentspräsidenten untersteht. Sie ist für alle Bundestagsgebäude zuständig, auch für die Büros der Abgeordneten. Ohne die Genehmigung des Bundestagspräsidenten darf in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden. Deshalb richtet sich die Organklage Brandts gegen Schäuble.

„Es ist nicht ausgeschlossen, dass meine Räume auch durchsucht wurden. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, wodurch meine Rechte als Abgeordneter im Kern verletzt wurden. Ich bin daher gezwungen vor dem Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen, dass die Bundestagspolizei nicht nach Belieben durch die Abgeordnetenbüros stöbern kann. Als Abgeordneter muss ich jederzeit sicher sein können, dass ich in meinen Büroräumen mein Mandat im Sinne von Artikel 38 des Grundgesetzes unbeeinträchtigt ausüben kann”, erklärt Brandt.

Wegen des Vorfalls verlangte die Linksfraktion Aufklärung von Wolfgang Schäuble. In seiner Antwort verweist Schäuble auf eine Stellungnahme des Referats ZR3 (Polizei, Sicherungsaufgaben) der Bundestagsverwaltung. Darin heißt es laut Organklage, dass aufgrund „der Plakatierungen zu befürchten gewesen sei, dass sich dadurch Anhänger des türkischen Präsidenten provoziert fühlen und in der Folge Aktionen zum Nachteil des Deutschen Bundestages unternehmen könnten”. Es habe angenommen werden müssen, dass sich Anhänger dazu hinreißen lassen könnten, Sachbeschädigungen am Gebäude vorzunehmen oder in das Gebäude einzudringen. Um diese Gefahren abzuwehren, habe sich die Bundestagspolizei entschlossen, die Plakate umgehend zu entfernen.

„Das ist an den Haaren herbeigezogen”, sagt Brandt. „Es gab keine unmittelbare Gefahrenlage, denn die Erdoğan-Anhänger hielten sich woanders auf. Der weiträumig abgesperrte Bereich vor den Büroräumen diente lediglich als Zu- und Abfahrt des türkischen Präsidenten zu und von seinem Hotel. Es waren im Bereich auch zahlreiche Polizisten vor Ort und der Zugang zum Bundestag durch gesicherte Pforten nicht ohne weiteres möglich”, so der Abgeordnete. Mit der Spätfolge des Erdoğan-Besuchs wird sich nun das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen.