„Oppositionellen wird das Wahlrecht gestohlen“

In Amed haben Tausende Menschen gegen die Absetzung kurdischer Bürgermeister:innen durch das türkische Innenministerium protestiert. Die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları warnte vor weiteren Amtsenthebungen durch die Regierung.

Proteste gegen Zwangsverwaltung in Amed

In Amed (tr. Diyarbakir) haben Tausende Menschen gegen die Absetzung kurdischer Bürgermeister:innen durch das türkische Innenministerium protestiert. Zu der Demonstration hatten die Parteien DEM und DBP sowie die Bewegung freier Frauen (TJA) unter dem Motto „Demokratie statt Zwangsverwaltung“ aufgerufen. Die Demonstrant:innen versammelten sich auf dem „Şêx Seîd“-Platz (Dağkapı) und liefen zum Keçi Burcu, dem „Ziegenturm“ an der Stadtmauer von Amed.


Tülay Hatimoğulları, Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, hielt eine Ansprache, in der sie die Zwangsverwaltung als Putsch und Usurpation bezeichnete. Die Ernennung staatlicher Treuhänder für die Kommunalverwaltung hebele das Wahlrecht der Völker der Türkei aus: Im Istanbuler Stadtbezirk Esenyurt seien Türk:innen, Kurd:innen, Araber:innen, Las:innen und Tscherkess:innen betroffen, in Mêrdîn (Mardin) Türk:innen, Kurd:innen, Armenier:innen und Suryoye, in Xelfetî (Halfeti) neben Kurd:innen auch Turkmen:innen und in Êlih (Batman) in sehr großer Mehrheit Kurd:innen.

Oppositionellen wird das Wahlrecht gestohlen“

„Zwangsverwaltung bedeutet, dass allen Oppositionellen dieses Landes und insbesondere dem kurdischen Volk das aktive und passive Wahlrecht gestohlen wird. Das ist in der Verfassung nicht vorgesehen, es ist eine ungesetzliche Maßnahme. Die Regierung begeht mit der Ernennung von Treuhändern eine Straftat. Es ist verfassungswidrig und verletzt auch internationale Rechtsnormen, zu denen die Türkei sich verpflichtet hat“, betonte die DEM-Vorsitzende.

Unverhohlener Autoritarismus und Faschismus“

Weiter erklärte Tülay Hatimoğulları: „Diese Regierung begeht zum dritten Mal ein Verbrechen, indem sie Treuhänder ernennt. Sie ernennt Treuhänder, um eine Hypothek auf unseren politischen Willen zu setzen. Sie sagen dem Volk, insbesondere dem kurdischen Volk: ,Ihr könnt euch nicht selbst regieren, wenn eure Partei gewählt wird, werde ich mit dem Gouverneur oder dem Bezirksgouverneur regieren, den ich ernennen werde.' Ein solches Regime wird nicht als Demokratie bezeichnet. Es ist kein demokratisches Regime mit dem Recht zu wählen und gewählt zu werden, es ist unverhohlener Autoritarismus und Faschismus.“

Schulter an Schulter gegen den Faschismus“

Die bei der Demonstration skandierte Parole „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“ sei sehr wichtig, sagte Tülay Hatimoğulları, die aus einer arabisch-alawitische Familie aus Hatay stammt und seit einem Jahr zusammen mit dem kurdischen Politiker Tuncer Bakırhan die Ko-Vorsitzende der Nachfolgepartei der HDP ist. „Der Faschismus, das Treuhandregime und die Usurpation des Willens haben alle Völker der Türkei zusammengeführt. In Esenyurt sind alle, die unter dem Treuhandregime leiden und ihr Wahlrecht einfordern, Schulter an Schulter zusammengekommen, unabhängig davon, welcher politischen Partei sie angehören. Wir sollten noch viel mehr Seite an Seite stehen.“

Botschaft nach Ankara, in die Türkei und in die Welt

Wie Tülay Hatimoğulları sagte, gebe es Anzeichen dafür, dass die Regierung die Entmachtung weiterer Kommunen plane. Das größte Hindernis für eine Demokratisierung der Türkei sei die ungelöste kurdische Frage. Ihre Partei fordere die Freilassung von Abdullah Öcalan, betonte die DEM-Vorsitzende: „Wir wollen aus dem Zentrum von Amed noch einmal eine klare Botschaft nach Ankara, in die Türkei und in die Welt senden. Wir sind für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage. Wir sind eine Partei, die für eine Lösung und einen würdevollen Frieden kämpft. Wir sind offen für einen Dialog und Verhandlungen zur Lösung dieses Problems. Wenn es keinen würdevollen Frieden gibt und hinter der aktuellen Debatte der Wunsch steht, die Opposition zu liquidieren, dann können wir nicht zustimmen. Wir werden unseren demokratischen Widerstand und unseren Kampf fortsetzen.“