Istanbuler Stadtbezirk Esenyurt unter Zwangsverwaltung
Die CHP hält seit der Verhaftung des Bürgermeisters Ahmet Özer eine Mahnwache im Istanbuler Stadtbezirk Esenyurt ab. Auch heute versuchte eine Delegation der größten Oppositionspartei in der Türkei in das unter Zwangsverwaltung gestellte Rathaus zu gehen. Das Gebäude ist mit Eisengittern abgeriegelt, den Politiker:innen, darunter mehrere Parlamentsabgeordnete, wurde der Zutritt von der Polizei verwehrt.
Die Delegation protestierte gegen das Zutrittsverbot und es kam zu einem Handgemenge mit den Einsatzkräften. Der CHP-Abgeordnete Deniz Yavuzyılmaz sagte in der hitzigen Auseinandersetzung zur Polizei: „Sie müssen uns und der Öffentlichkeit erklären, warum wir nicht hereingelassen werden. Es ist nicht richtig, dass Sie ungesetzliche Befehle befolgen. Sie erfüllen hier nicht ihre Aufgabe, Sie machen Politik. Sind wir etwa bedenkliche Menschen und dürfen deshalb nicht eintreten? Sollen diese Barrikaden und das Polizeiaufgebot bis zu den nächsten Kommunalwahlen hierbleiben?“
Yavuzyılmaz erklärte weiter, dass die Spitzenbürokraten der AKP nur auf die Worte achten, die zwischen den Lippen des AKP-Vorsitzenden und Staatspräsidenten Tayyip Erdoğan hervorkommen werden, und wandte sich mit den Worten „Öffnet diese Barrikaden“ an Erdoğan.
Anonymer Zeuge sagt gegen Özer aus
Der in Wan (tr. Van) geborene CHP-Politiker Ahmet Özer ist am 31. März 2024 mit großer Mehrheit zum Bezirksbürgermeister von Esenyurt gewählt worden. Der 64-Jährige wurde am 31. Oktober als vermeintliches Mitglied einer Terrororganisation verhaftet, die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm Verbindungen zur PKK vor.
Wie sich durch die Begründung für die Ablehnung des Einspruchs gegen seine Verhaftung herausstellte, spielt in den Ermittlungen gegen Özer eine geheime Zeugenperson eine Rolle. In politisch motivierten Strafprozessen in der Türkei basiert die vermeintliche Beweiserhebung in der Regel auf Aussagen anonym gehaltener Zeug:innen.
Die Staatsanwaltschaft wirft Özer unter anderem vor, in den vergangenen zehn Jahren vierzehn Mal mit Remzi Kartal, dem Ko-Vorsitzenden von Kongra-Gel, gesprochen zu haben. Kartal stammt ebenfalls aus Wan und war früher Parlamentsabgeordneter, heute lebt er im Exil in Belgien, wo er 2017 Ziel eines Mordanschlags war. Özer bestreitet die Vorwürfe.