Nürnberg: „Bijî Berxwedana Rojava“

In Nürnberg gab es auf Aufruf der PYD eine Demonstration gegen die jüngste Angriffswelle der Türkei gegen Rojava. Man traf sich vor dem SPD-Gebäude – ein nicht zufällig gewählter Ort, da die Partei in den letzten Tagen heftig in Kritik geriet.

Die Partei der demokratischen Einheit (PYD) rief heute zu einer Demonstration in Nürnberg auf, um gegen die jüngste Angriffswelle des türkischen Staates auf die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) und die Einsätze mit Chemiewaffen in Südkurdistan (Nordirak) zu protestieren. Neben Kurd:innen folgten dem Aufruf auch zahlreiche Internationalist:innen aus verschiedenen deutschen und türkischen linken Gruppen.

Empörung über deutsche Innenministerin

Man traf sich vor dem SPD-Gebäude – ein nicht zufällig gewählter Ort, da die Sozialdemokratische Partei in den letzten Tagen heftig in Kritik geriet. Während Bomben auf Rojava fielen, beteuerte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ihrem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu, „fest an der Seite der Türkei“ zu stehen und ermahnte zur „Verhältnismäßigkeit“ beim (völkerrechtswidrigen) Angriff. Ebenso empörend fanden es die Demonstrierenden, dass sich zum Tag der Gewalt an Frauen die SPD auf Twitter mit „Frau Leben Freiheit“ meldete, ohne den Kontext dieses Slogans auch nur zu erwähnen. „Die SPD übernimmt eine Formel, mit der Abdullah Öcalan die Frauen ermächtigte, ihr Leben in die Hand zu nehmen und es zu verteidigen. Der Anstand gebietet, den Autor des Zitats zu benennen“, so eine Sprecherin. „Wenn darüber hinaus unter einer SPD-geführten Koalition die Freiheitsbewegung des „Jin Jiyan Azadî - Frau Leben Freiheit“ in Deutschland nach wie vor kriminalisiert wird, ist diese Vereinnahmung an Dreistigkeit kaum zu überbieten.“


Türkei sieht im IS ein Werkzeug

Mehrere Redner:innen verurteilten in kurdischer und deutscher Sprache auf der Auftaktkundgebung die Kriegspolitik des türkischen Staates. Dieser greife mit militärischer Gewalt und Terror den demokratischen Gegenentwurf der Freiheitsbewegung in Südkurdistan (Nordirak), in Nordkurdistan (Südosttürkei) und in Westkurdistan (Nordostsyrien) an, so ein Redebeitrag im Namen von KON-MED. Die massive Bombardierung von Dörfern und Städten und die gezielte Zerstörung ziviler Infrastruktur – begangen von einem Mitglied der NATO und mit deren Billigung – soll Angst und Schrecken verbreiten. Auch auf die Gefahr einer Wiedererstarkung des sogenannten Islamischen Staats wurde hingewiesen. Im Camp Hol werden Zehntausende von IS-Terroristen von Sicherheitskräften der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) bewacht. Ein Angriff der türkischen Armee auf das Sicherheitspersonal ermöglichte die Flucht von etlichen Mitgliedern des IS. Das sei keineswegs ein Zufall, wurde betont. Die türkische Regierung handele dabei in voller Absicht, um die mit ihr verbündeten dschihadistischen Kräfte frei zu bomben. Mit der Türkei könne es keine „Anti-Terror-Koalition“ geben. Europa müsse endlich begreifen, dass die Regierung in Ankara den IS als Werkzeug sieht, das sie nach Belieben als Drohung und Erpressung einsetzt.

„Türkische Armee raus aus Kurdistan“

Auch das seit 1993 in Deutschland bestehende Verbot der PKK wurde thematisiert. Es verhindere, dass Kurdinnen und Kurden hier unbehelligt leben und ihre demokratischen Grundrechte ausüben und sei verantwortlich für die fortgesetzte Stigmatisierung einer der größten ethnischen Gruppen hierzulande.

Kleine Provokation türkischer Nationalisten

Nach den Reden bewegte sich der Demonstrationszug durch die belebte Innenstadt Nürnbergs, begleitet von nervös wirkender Polizei. Lautstark wurden dabei immer wieder Parolen gerufen: „Terrorist Erdogan“, „Bijî Berxwedana Rojava“, „Jin Jiyan Azadî“ und „Türkische Armee raus aus Kurdistan“. Auch ein Gruß an die Guerilla fehlte nicht: „Bijî Berxwedana Gerîla“. Dazwischen hörte man Lieder wie „Zap Zap Zapê“, die zum Mitsingen einluden und die Stimmung anheizten. Als der Demo-Zug den Abschlussort erreichte, versuchte noch ein kleinerer Autokorso hupend mit türkischer Nationalflagge zu provozieren.