Nach der Urteilsverkündung im TKP/ML-Prozess in München ist der Hauptangeklagte Müslüm Elma freigelassen worden. Er befand sich über vier Jahre in Untersuchungshaft und ist heute zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe wegen „Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ verurteilt worden.
Seine Rechtsanwältin Antonia von der Behrens erklärte nach dem Prozess: „Die Angeklagten sind zu hohen Haftstrafen in einem Verfahren verurteilt worden, das nur als Auftragsarbeit für die Türkei bezeichnet werden kann. Die TKP/ML ist in Deutschland nicht verboten und steht auf keiner Terrorliste. Nur die Türkei stuft sie bisher als terroristisch ein und bekämpft ihre Mitglieder wie die gesamte Opposition mit menschenrechtswidrigen Methoden. Wir werden umgehend Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen."
Stefan Kuhn, der zweite Verteidiger von Elma, fügte hinzu: „Dieser Prozess hat einmal mehr gezeigt, wie problematisch die Verfolgung sogenannter ausländischer terroristischer Vereinigungen nach Paragraph 129b StGB durch deutsche Strafverfolgungsbehörden und Gerichte ist: Die Erteilung einer diesbezüglichen Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium führt dazu, dass die hiesige Justiz Widerstand gegen das Erdogan-Regime kriminalisiert und dieses damit unterstützt."
Seltene Worte eines Richters
Bei seinen Versuchen, die Beweggründe der Beschuldigten zu verstehen, fand der Richter in der mündlichen Urteilsbegründung Worte, die man selten von einem Staatsschutzsenat zu hören bekommt: „Zugunsten aller Angeklagten hat der Senat berücksichtigt, dass die Taten nach seiner Überzeugung in einer strukturellen Repression von Minderheiten, insbesondere Kurden, Aleviten und Linksoppositionellen, durch die türkische Staatsmacht wurzeln. Eine solche systematische Unterdrückung von Minderheiten ist geeignet, Widerstand gegen die politische Ordnung, von der sie ausgeht, gleichsam herauszufordern. Für einen Großteil der Angeklagten gilt dies umso mehr, als sie staatliche Willkür in der Türkei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am eigenen Leib erfahren haben. In besonderem Maße trifft dies auf Elma, Solmaz, Ugur und Yesilcali zu, die nach Überzeugung des Senats in türkischer Haft wiederholten Folterungen ausgesetzt waren."