Menschenrechtlerin in Ankara festgenommen

Bei einer Festnahmewelle wurden am Dienstag in der türkischen Hauptstadt mindestens 22 HDP-Politiker und Gewerkschafter festgenommen. Auch Sihan Aydınkaya aus der IHD-Leitung in Ankara befindet sich in Gewahrsam.

Wie wir bereits berichteten, fand am Dienstag in der türkischen Hauptstadt Ankara eine Festnahmewelle gegen die politische Opposition statt. Unter den bisher festgenommenen Politiker*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen ist auch die Menschenrechtlerin Sihan Aydınkaya. Die Aktivistin aus der Leitung des Menschenrechtsvereins IHD ist Mutter von frühgeborenen Zwillingen (10 Monate), die versorgt werden müssen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı (MA) erklärte ihr Partner Şükrü Aydınkaya: „Ich war schon auf dem Weg zur Arbeit, als mich meine Frau anrief und von der Razzia berichtete. Als ich zu Hause ankam, war die Durchsuchung bereits abgeschlossen. Die Wohnung wurde von oben bis unten durchwühlt, alle Bücher als ‚bedenklich' eingestuft und beschlagnahmt. Später zeigten die Polizisten mir die Festnahmeanordnung gegen meine Frau.“

Şükrü Aydınkaya sagt, dass die beiden Frühchen auf die Milch der Mutter angewiesen sind und fährt fort: „Die Polizei hat drei Säcke voll mit Büchern weggeschleppt. Ihrer Meinung nach ist sowieso alles verdächtig. Man hätte meine Frau auch schriftlich vorladen können, aber so etwas machen sie nicht. Sie hat zwei Kleinstkinder, wohin soll sie denn fliehen? Ihr Aufenthaltsort ist klar, ihre Tätigkeit als Leiterin des IHD-Büros ebenfalls. Stattdessen fällt die Polizei über uns her, als ob sie eine Großtat vollbringen würde.“ Aydınkaya kündigt an, die Kinder zum Stillen zur Polizeidirektion zu bringen.

Zahl der Festgenommenen gestiegen

Dienstagmorgen war noch von zwölf Personen die Rede, die in Gewahrsam genommen wurden. Mittlerweile ist die Anzahl auf mindestens 22 gestiegen. Nach Informationen der Anwält*innen fand die Festnahmewelle im Rahmen von drei verschiedenen Ermittlungsverfahren statt. In einem Verfahren werden Terrorismusvorwürfe erhoben. Konkret geht es um die Teilnahme an einem Protest im Jahr 2015 gegen die Morde an den drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez, die am 9. Januar 2013 in Paris von einem Auftragsmörder des türkischen Geheimdienst MIT mit Kopfschüssen hingerichtet wurden. 

Bisher sind die Identitäten von folgenden Personen bekannt, die weiterhin in der Bezirkspolizeidirektion festgehalten werden: Ali Özkan (HDP), Dilbaz Temel (HDP), Nurettin Kemertaş (HDP), Sihan Aydınkaya (IHD), Harun Çakmak (HDP), Feride Yardımcı (HDP), Eyüp Emektar (HDP), Banu Erdoğan (Ko-Vorsitzende des per Notstandsdekret geschlossenen Vereins „Rojava“), İlhan Kahraman (HDP), Veysel Yoğurtçu (HDP), Devrim Kahraman (Tüm Bel-Sen), Güler Elveren (Tüm Bel-Sen), Hatice Beydilli (Eğitim Sen), Erkan Polat (Eğitim Sen), Tayfun İşçi (KESK) und İzzet Aydemir (Musiker).