Mit Verfügung vom 1. Februar hat das Bundesinnenministerium die auf die Verlegung und den Vertrieb von kurdischer Literatur und Musik spezialisierten Unternehmen Mezopotamien-Verlag und Vertrieb GmbH sowie die MIR Multimedia GmbH als angebliche Teilorganisationen der PKK verboten. Am 12. Februar wurden daraufhin die Geschäftsräume der beiden Neusser Kunst- und Kulturvertriebe durchsucht und sämtliches Inventar auf Weisung des Bundesinnenministers Horst Seehofer beschlagnahmt.
Für die Wiederveröffentlichung von beschlagnahmten, jedoch nicht verbotenen Büchern des Mezopotamien-Verlags, haben der Unrast-Verlag in Deutschland, der Verlag Mandelbaum in Österreich und Edition 8 in der Schweiz eine Kampagne gestartet, in der prominente Persönlichkeiten als Mitherausgeber*innen der „Edition Mezopotamya“ Solidarität mit dem kriminalisierten Verlag zeigen. Eine dieser Mitherausgeberinnen ist die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Simone Barrientos. Sie hat eine Erklärung veröffentlicht, in der es heißt:
Verbot von Verlagshäusern richtet sich gegen Kultur- und Meinungsfreiheit
Die Freiheit der Meinung und der Kunst ist vom Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt. Die Frage, ab wann die Freiheit in Gefahr ist, ob Zensur herrscht oder wer Kultur schaffen darf, ist politisch hoch umkämpft. Umso erschreckender, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer Anfang des Jahres zwei Verlagshäuser verbietet und so tut, als hätte sein Handeln mit Kultur- und Meinungsfreiheit nichts zu tun.
Es geht um zwei kurdische Verlage, den Mezopotamien Verlag und MIR Multimedia. Im Rahmen des Verbots wurden die Verlagsräume mehrfach durchsucht und große Mengen an Büchern, Filmen und Musik-CDs beschlagnahmt. Darunter war auch das wohl europaweit größte Archiv an kurdischer Musik. Das Verbot wurde damit begründet, dass das Innenministerium davon ausgehe, dass die Verlage Unterorganisationen der Kurdischen Arbeiterpartei PKK seien.
Nichts anderes als Zensur durch die Hintertür
Keines der Bücher, die im Mezopotamien Verlag erschienen sind, sind je in Deutschland straf- oder zivilrechtlich beanstandet oder gar verboten worden. Der Zugang zu den Publikationen, und damit auch der Zugang zu kurdische Kultur und Geschichte, wird durch das Verbot massiv erschwert. Ein Unterstützerkreis aus der Verlagsbranche spricht von „Zensur durch die Hintertür".
In einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag habe ich mich danach erkundigt, wie die Bundesregierung mit dem Archiv umgehen wird, wie die beschlagnahmten Kulturgüter derzeit gelagert sind und ob sie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, um darüber weiterhin Zugang zu kurdischer Kultur in Deutschland zu ermöglichen.
Bundesregierung offenbart mangelnden Respekt
Die Antwort der Bundesregierung ist lapidar und zeigt, dass ihr völlig der Respekt und das Verständnis für kurdische Kultur fehlen. In der Antwort wird stupide wiederholt, das Medienhaus diene der Finanzierung der PKK. Die Kulturgüter werden als „Warenbestände" bezeichnet, auf „eine individuelle rechtliche Bewertung" der einzelnen Publikationen käme es nicht an, da die Verlage verboten wurden. 50.000 Gegenstände wurden bei den Verlagen konfisziert, mit der Begründung, die Gegenstände seien Besitz einer „Teilorganisation der PKK".
Meine Anfrage hat auch gezeigt, dass Listen von Verlagskundinnen und Verlagskunden, privat und gewerblich, beschlagnahmt wurden und „ausgewertet" werden. Daten von Leserinnen und Lesern, die Bücher bestellt haben, die nicht strafrechtlich relevant sind, werden ausgewertet. Absurd und skandalös!
Kurdische Kultur und Freiheitskampf lassen sich nicht trennen
Die Bundesregierung behauptet, dass die Beschlagnahmung der Gegenstände den Zugang zu PKK-unabhängiger Kultur in Deutschland nicht gefährde. Die Bundesregierung bestimmt also zum einen, was die richtige kurdische Kultur und welche die verbotene ist. Zum anderen zieht sie eine künstliche Linie, die kulturell nicht zu rechtfertigen ist. Der kurdische Freiheitskampf und die kurdische Kultur sind eng miteinander verwoben, die PKK ist Teil unabhängiger kurdischer Kultur, ob die Bundesregierung das wahrhaben möchte oder nicht.
Kurdische Musik und Literatur gehören zur Gegenwartskultur Deutschlands. Es ist unsere politische Verantwortung, diese Kultur zu schützen und den Zugang zu ermöglichen. Die Bundesregierung hat diese Verantwortung nicht wahrgenommen, ihr ideologischer Kampf gegen kurdische Akteure und die PKK führt dazu, dass Grundrechte wie die Meinungs- und Kunstfreiheit missachtet werden.
Wo die Regierung versagt, wird die kulturpolitische Zivilgesellschaft aktiv. Einige Titel des Mezopotamien Verlags werden von drei unabhängigen, linken Verlagen herausgebracht und somit wieder zugänglich gemacht. Die Verlage Unrast (D), Mandelbaum (A) und Edition 8 (CH) planen die Veröffentlichung zur Frankfurter Buchmesse im Oktober 2019. Ich habe mich, gemeinsam mit knapp 100 weiteren Personen, den Aufruf angeschlossen und unterstütze das Projekt als Mitherausgeberin.