„Kurdistan-Syndrom“ beim türkischen Militär

Eine Studie bei staatlichen Kräften in der Türkei hat die vom türkischen Staat verhüllte Kriegsrealität in Nordkurdistan und die damit zusammenhängenden psychischen Erkrankungen bei Sicherheitskräften, das sog. „Kurdistan-Syndrom“, ans Licht gebracht.

Der Krieg zwischen der Guerilla und dem türkischen Militär ruft schwere Traumatisierungen beim türkischen Militär hervor. Die hohen Verluste und die große Anzahl verletzter türkischer Soldaten ziehen im Militär weite Kreise; Tausende Soldaten und Polizisten können ihre psychische Traumatisierung nicht überwinden.

Der Bereich für soziale Dienste der Istanbuler Gelişim Universität (IGÜ) hat gemeinsam mit der Fakultät für soziale Dienste der Hacettepe Universität eine Studie zum „Kurdistan-Syndrom“ bei Soldaten, Dorfschützern und Polizisten durchgeführt. Die Wissenschaftler*innen befragten Polizisten, Soldaten und Dorfschützer, die in Kurdistan eingesetzt wurden, und stellten fest, dass vor den Augen von vier von fünf, Menschen verletzt und von drei von fünf Menschen getötet wurden. Drei von vier Soldaten, Polizisten oder Dorfschützern wurden der Untersuchung nach zum Ziel von Angriffen. Die Studie macht insbesondere auch auf die psychischen Schädigungen der befragten Gruppen aufmerksam. Die Ergebnisse zeigen eine Realität, die der türkische Staat mit allen Mitteln zu verbergen versucht. Fast jeden Tag finden in den verschiedenen Regionen Kurdistans Gefechte zwischen der Guerilla der Volksverteidigungskräfte (HPG) und dem türkischen Militär mit Verletzten und Toten statt.

Die einen bringen sich um, andere sind in der Psychiatrie

Das „Kurdistan-Syndrom“ ist nichts Neues. Schon in der Vergangenheit wurde es häufig festgestellt. Insbesondere beim Widerstand der zivilen Verteidigungseinheiten in Städten und den verlustreichen Kämpfen, bei denen das Militär trotz zahlenmäßiger und technischer Überlegenheit monatelang nicht in die Städte vordringen konnte, häuften sich die Traumatisierungen bei den staatlichen Kräften. Der damalige Generalstabschef und heutige AKP-Verteidigungsminister Hulusi Akar besuchte damals in den Kriegsgebieten in den Städten eiligst seine Soldaten, um die Moral wieder zu heben. Der türkische Regimechef Erdoğan hat sogar angeordnet, den Soldaten, wenn nötig, Kaviar zu liefern, um die Moral zu retten. Damals schrieb ein Soldat in einem Brief aus Nisêbîn (Nusaybin): „Jeden Morgen beginnen wir mit der Frage, wer von uns heute getötet wird. Wir befinden uns ständig in der Schusslinie.“ Diese Traumata resultierten bei manchen in Suiziden, viele andere befinden sich in der Psychiatrie.