KON-MED: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen

Am 10. Dezember ist internationaler Tag der Menschenrechte. „Faschismus war und ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, erklärt KON-MED und schlägt als Antwort auf die Krisen im gegenwärtigen System den Aufbau demokratischer Alternativen vor.

Der kurdische Dachverband KON-MED hat eine schriftliche Erklärung zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember veröffentlicht. Darin bezeichnet die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland die faschistischen Bewegungen auf der ganzen Welt als die größte Gefahr für die Wahrung der Menschenrechte und schlägt als Antwort auf die Krisen im gegenwärtigen System den gemeinsamen Aufbau demokratischer Alternativen vor. Weiter heißt es in dem wegweisenden Aufruf:

„Auf allen Kontinenten unserer Erde erstarken Ideen faschistischer Couleur als Reaktion auf die Vertiefung gesellschaftlicher Widersprüche. Das Ausmaß der Krise ist uns allen bewusst: Umweltzerstörung, Kriege und Flucht, die wachsende Schere zwischen Arm und Reich und zunehmende Gewalt gegen Frauen. Angesichts des bedrohlichen Ausmaßes dieser Entwicklungen suchen heute Menschen in allen Teilen der Welt nach Auswegen aus der Krise, die sie tagtäglich an der eigenen Haut erfahren. Währenddessen versuchen die Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft ihre Verwicklung in die Krise zu kaschieren. Ihre Lösungsvorschläge – nationalistische Abschottung, Aufrüstung und Krieg, Intensivierung der Ausbeutung von Mensch und Natur – können und wollen wir nicht akzeptieren. Wir wissen, dass die Verteidigung der Menschenrechte nur durch den Aufbau einer anderen Welt erreicht werden kann. Diese andere Welt ist möglich. Und sie ist heute nötiger denn je.“

Türkischer Staat federführend beim Abbau der Menschenrechte

Der türkische Staat sei mit seiner Politik federführend beim Abbau von Menschenrechten, so KON-MED weiter: „Innenpolitische Oppositionsbewegungen, allen voran die Demokratische Partei der Völker (HDP) in der Türkei und in Nordkurdistan werden massiv kriminalisiert. Tausende kurdische Aktivist*innen und Politiker*innen befinden sich in den türkischen Gefängnissen. Die kurdische Sprache ist massiven Angriffen ausgesetzt. Exemplarisch dafür ist das Verbot der Aufführung des Theaterstücks ‚Bêrû‘ (Ohne Gesicht) von der Theatergruppe Jiyana Nû (Neues Leben) in Istanbul mit Hinweis auf die ‚öffentliche Ordnung‘ durch die türkischen Behörden. Ein weiteres Beispiel, welches die Türkei im Herbst erschütterte, ist der Fall der ‚Hubschrauber-Folter‘. Zwei kurdische Bauern wurden am 11. September in Wan (Van) vom türkischen Militär festgenommen, gefoltert und aus einem Hubschrauber gestoßen. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren zu Jahresbeginn 9.200 Menschenrechtsbeschwerden anhängig, die sich auf die Türkei bezogen. Zudem soll die Regierung für rund 125 Entführungen von Oppositionellen verantwortlich sein.“

Krieg gegen die kurdische Bevölkerung

Auch außenpolitisch setze die türkische Regierung auf eine Eskalation der Gewalt und Kriegspolitik. Sie negiere mit ihrem „Vernichtungsfeldzug gegenüber den demokratischen Errungenschaften der kurdischen Gesellschaft“ regelrecht das Recht auf Leben. Die Angriffe der Türkei auf die kurdische Gesellschaft beschränkten sich nicht auf ihre eigenen Staatsgrenzen, unterstreicht KON-MED. „Seit Jahren thematisieren sowohl die Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens als auch Binnenflüchtlinge aus den von der Türkei besetzten Gebieten, insbesondere den Regionen Efrîn und Serêkaniyê (Ras al-Ain), die schweren Menschenrechtsverletzungen durch die türkische Armee und ihre Söldnertruppen. Nun haben die Vereinten Nationen in einem Bericht in deutlichen Worten bestätigt, welche Verhältnisse in den türkischen Besatzungszonen herrschen. Diese dokumentierten Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs an Kriegsverbrechen, die von bewaffneten Gruppierungen mit ‚politischer Rückendeckung der Türkei‘ an der kurdischen Bevölkerung in Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî (Tall Abyad) begangen wurden und immer noch werden.“

Deutsche Hilfe nährt faschistisches Regime in der Türkei

Weiter führt KON-MED aus: „Auch in Südkurdistan (Nordirak) werden wir gegenwärtig Zeuge einer aggressiven türkischen Kriegspolitik, die sich gegen alle Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung richtet. Seit Monaten führt dort die türkische Armee eine militärische Besatzungsoperation durch und schreckt dabei auch nicht vor direkten Luftangriffen auf zivile Siedlungsgebiete zurück. Eine unrühmliche Rolle bei dieser Besatzungsoperation spielt die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) unter Führung der Barzanî-Familie. Sie übernimmt die Rolle des fleißigen Helfers der türkischen Besatzungskräfte, indem sie der türkischen Armee neue Räume eröffnet und Militärposten überlässt. Welche fatalen Folgen ein solches Verhalten mit sich bringt, zeigt sich derzeit in der Provinz Şengal (Sindschar). Als Ergebnis eines gemeinsamen Deals zwischen der Türkei, der PDK und der irakischen Zentralregierung sollen dort die Selbstverwaltungsstrukturen der ezidischen Bevölkerung zunichte gemacht werden. Die Ezidinnen und Eziden hatten als Reaktion auf den 2014 verübten Genozid des IS an ihnen den Entschluss gefasst, mit einer eigenen Selbstverwaltungs- und Selbstverteidigungsstruktur ihre bedrohte Religionsgemeinschaft vor weiteren Angriffen zu schützen. Infolge dieses Deals sollen nun arabische Truppen die Kontrolle über Şengal übernehmen. Die Ezid*innen befürchten, dass dieser Schritt den Weg für neue Genozide in der Zukunft ebnen könnte.

Wir wissen, dass es ohne die politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung Deutschlands das faschistische Regime in der Türkei so nicht mehr gäbe. Mit Panzern aus den Werken Rheinmetalls, Investitionen der tausend deutschen Unternehmen in der Türkei und der politischen Rückendeckung der deutschen Bundesregierung führt Erdogan Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Für seine menschenverachtende Politik gehört Erdogan vor dem Internationalen Menschengerichtshof angeklagt.

Demokratische Alternativen aufbauen

Der seit 1999 inhaftierte PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan hat von seiner Gefängnisinsel Imrali aus mit dem Konzept des Demokratischen Konföderalismus eine Vision mit der Weltöffentlichkeit geteilt, welche im gesamten Mittleren Osten die Hoffnung auf ein friedliches und demokratischen Leben der Volks- und Religionsgemeinschaften geweckt hat. Seine Ideen stellen die theoretische Grundlage für die Revolution von Rojava/Nordsyrien dar. Gegenwärtig wird Öcalan unter verschärften Isolationsbedingungen von der Außenwelt abgekapselt. Der Kampf gegen seine Isolation ist gleichbedeutend mit dem Kampf für Frieden in der gesamten Region. Er ist und bleibt der zentrale Ansprechpartner für die kurdische Seite auf dem Weg zu einer politischen Lösung der kurdischen Frage in der Türkei/Nordkurdistan.

Nicht nur die Ideen Öcalans machen deutlich, dass eine andere Welt möglich ist. Das können wir insbesondere an Kämpfen außerhalb Europas sehen. Die zapatistische Bewegung in Chiapas, die Bewegung der Landlosen in Brasilien, aber eben auch die Demokratische Föderation Nordsyrien zeigen uns, dass die Antwort auf die Krisen im gegenwärtigen System im Aufbau demokratischer Alternativen steckt. Wollen wir Werte wie Solidarität, Gleichberechtigung und Freiheit zu einem festen Bestandteil unseres alltäglichen Lebens machen, müssen wir heute anfangen unsere eigenen Alternativen aufzubauen. Basisdemokratie, die Freiheit der Frau und Ökologie bilden die Grundlage für unsere Suche nach einer anderen Welt. Eine Welt, in der Menschenrechte gelebte Praxis, Menschlichkeit ein tief verinnerlichtes Gefühl und Freiheit der Antrieb für das gemeinsame Leben darstellen. Für diese Welt werden wir uns auch zukünftig einsetzen. Ob hier in Deutschland, in Kurdistan oder allen anderen Teilen dieser Welt. Wir rufen alle Menschen dazu auf, die Wahrung der Menschenrechte mit uns gemeinsam durch den Aufbau einer anderen Welt zu sichern. Jetzt. Überall. Gemeinsam: Lang lebe die Zärtlichkeit der Völker!“