Der kurdische Dachverband KON-MED hat angesichts der Haftbedingungen von Abdullah Öcalan Strafmaßnahmen gegen die Türkei verlangt. Die Organisation fordert, dass auf internationaler und europäischer Ebene institutionelle Durchsetzungsmechanismen für Menschenrechte und ein Sanktionssystem in Gang gesetzt werden. Das dem PKK-Begründer auferlegte Haftregime im Inselgefängnis Imrali verstoße gegen die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen, erklärt KON-MED anlässlich der Verschleppung Öcalans in die Türkei, die sich am 15. Februar zum 23. Mal jährt. In einer entsprechenden Stellungnahme heißt es:
„Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes war für Abdullah Öcalan Ausgangspunkt einer radikalen Infragestellung staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen in ihren kolonialistischen Ausformungen. Er erkannte die nationalen, regionalen und globalen Dimensionen der kurdischen Frage und kämpfte für eine andere Zukunft für sein Volk. Damit die kurdische Frage demokratisch gelöst werden kann, ist seine sofortige Freilassung unabdingbar. Wer für die Demokratie spricht, darf nicht eingesperrt bleiben.
Der Freiheitskampf unter der Führung von Öcalan führte zu einer Wiederbelebung der kurdischen Identität und des kurdischen Bewusstseins nach jahrzehntelanger aufgezwungener Assimilation und brutaler Verfolgung durch den türkischen Staat. Durch Öcalan gewannen die Kurd:innen ihr nationales Selbstbewusstsein zurück und organisierten sich auf allen Ebenen des Lebens. Die kurdische Bewegung inspirierte Kurd:innen in der gesamten Türkei, im Irak, in Syrien, im Iran und in der Diaspora. Öcalan wurde zum Vordenker des kurdischen Volkes. Sein beharrlicher Glaube an und seine Solidarität mit dem Kampf der Frauen haben zur Mobilisierung einer der größten Frauenbewegungen der jüngeren Geschichte geführt.
Der türkische Staat hat alle Arten von Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen gegen das kurdische Volk begangen, um seine Identität zu vernichten und die Freiheitsbewegung Kurdistans zu zerschlagen. Da der türkische Staat nicht in der Lage ist, den Willen der Kurd:innen zu brechen, hat er mit Hilfe anderer NATO-Staaten ein Komplott geschmiedet. So wie es dem türkischen Staat im letzten Jahrhundert gelungen ist, seine Unterdrückung des kurdischen Volkes durch die Hinrichtung kurdischer Anführer aufrechtzuerhalten, versucht das Erdogan-Regime heute mit Hilfe der NATO dasselbe, indem es den Begründer der modernen kurdischen Freiheitsbewegung ins Visier nimmt.
Abdullah Öcalan verließ Damaskus im Oktober 1998 und kam nach Europa, um auf die Notlage der Kurd:innen aufmerksam zu machen. Da kein europäisches Land ihm ein Aufenthaltsrecht gewährte, war er gezwungen, Europa zu verlassen. Am 15. Februar 1999 wurde Öcalan in Kenia in die Türkei entführt und anschließend im Hochsicherheitsgefängnis auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert. Seit fast 23 Jahren wird er in Isolationshaft gehalten, der Zugang zu allen Kommunikationsmitteln wird ihm verwehrt, er ist grausamen Strafen ausgesetzt. Allein 2021 wurden von den 171 Besuchsanträgen, die sein Rechtsbeistand stellte, 20 mit der Begründung abgelehnt, dass ein gerichtliches Besuchsverbot von sechs Monaten (ab 23. September 2020) verhängt worden war. Die anderen 151 Anträge wurden nicht beantwortet. Im selben Jahr wurden auch 55 Besuchsanträge seiner Familie ignoriert. Das ‚Imrali-System‘ ist ein System der Willkür, und die Haftbedingungen von Öcalan verstoßen sowohl gegen türkisches als auch gegen internationales Recht.
Der Europarat (CoE) und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) in Straßburg sind für Öcalans Situation verantwortlich, da die Türkei Mitglied des CoE ist und die Konvention zur Gründung des CPT vor Jahrzehnten ratifiziert hat. Leider scheint es eine Allianz zwischen diesen relevanten Institutionen und dem türkischen Regime, das eindeutig gegen die ratifizierten Konventionen des Europarats verstößt, zu geben. Der Europarat nutzt seine rechtlichen und politischen Instrumente wie das CPT nicht, um die Einhaltung des Völkerrechts in Bezug auf die Gefängnisse in der Türkei zu gewährleisten. Das Gremium ergreift keine ernsthaften Maßnahmen, wodurch Öcalan der Willkür des türkischen Regimes ausgeliefert ist.
Da der 23. Jahrestag des internationalen Komplotts vom 15. Februar näher rückt, fordern wir ein Ende der Isolationspolitik und die sofortige Freilassung von Öcalan.
Wir rufen alle Menschen und Nichtregierungsorganisationen auf, sich mit Öcalan und dem kurdischen Volk gegen diese Ungerechtigkeit zu solidarisieren, sich mit dem CPT und dem Europarat in Verbindung zu setzen und unsere Forderungen zu unterstützen:
· Abdullah Öcalan und den anderen Gefangenen in İmralı muss es unverzüglich gestattet werden, mit ihren Anwälten und Angehörigen zu kommunizieren, und die Isolationsmaßnahmen müssen aufgehoben werden.
· Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der Europarat und die Vereinten Nationen müssen Sanktionen gegen die Türkei verhängen, da das derzeitige Haftregime des türkischen Staates gegen die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) verstößt.
· Das Ministerkomitee des Europarates muss politische Schritte in Bezug auf die Freiheit von Abdullah Öcalan einleiten.“