„Kommunale Selbstverwaltung statt Zentralismus“

Die Kandidatin für das Ko-Bürgermeister:innenamt der DEM-Partei in Antalya, Nesibe Bahadır, fordert eine Dezentralisierung der kommunalen Verwaltung und kündigt an, eine Stadtverwaltung unter Beteiligung aller Komponenten der Gesellschaft aufzubauen.

Am 31. März sind Kommunalwahlen in der Türkei. Kommunalwahlen sind unter türkischer Administration keine kleinen regionalen Ereignisse, sondern haben große politische Bedeutung. Auch wenn die Kommunalverwaltung aufgrund des türkischen Zentralismus kaum über Vollmachten verfügt, so verleiht die gleichzeitige Durchführung in allen Städten den Wahlen immer auch den Charakter eines Referendums.

Nesibe Bahadır ist Kandidatin der DEM-Partei für das Amt der Ko-Bürgermeisterin von Antalya. Ko-Bürgermeister:innen existieren nur für die DEM-Partei, die grundsätzlich alle Ämter geschlechterparitätisch besetzt. Antalya ist eine Region, die vom Tourismus und von der Landwirtschaft lebt. Viele kurdische Arbeiter:innen leben in dieser Region oder sind dort als Saison- oder Wanderarbeitskräfte tätig. Nesibe Bahadır warnt davor, dass das touristische und landwirtschaftliche Potential der Region vollständig dem Profitstreben unterworfen wurde. Von den daraus resultierenden Gewinnen profitierten nur bestimmte Gruppen, während die Mehrheit ausgebeutet wird und unter der Situation leidet, erklärt die DEM-Kandidatin. In Anbetracht der mangelnden Repräsentanz der gesellschaftlichen Mehrheit müsse sich Grundlegendes auch in den Kompetenzen der Kommunalverwaltung ändern. Statt des im politischen System der Türkei vorgesehenen Modells schlägt sie als Alternative eine autonome kommunale Verwaltung vor.

Nesibe Bahadır ist wie viele Menschen in Antalya Kurdin. Sie wurde 1991 im Kreis Elkê (Beytüşşebap) in Botan geboren. Ihre Familie wurde jedoch wie unzählige andere vertrieben und so wuchs Nesibe Bahadır in Antalya auf. Sie ist Juristin und arbeitete seit 2013 aktiv im Ausschuss für Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter, dem Menschenrechtsverein IHD, dem Gefangenenhilfsverein TUHAY-DER und vielen anderen Institutionen mit. 2019 wurde sie in den Stadtrat von Kepez gewählt. Jetzt kandidiert sie gemeinsam mit dem ehemaligen HDP-Abgeordneten Kemal Bülbül für das Amt der Ko-Bürgermeister:innen von Antalya. Im ANF-Interview äußerte sie sich zu den kommunalpolitischen Perspektiven der DEM-Partei.

Die Nominierung von Kandidat:innen der DEM-Partei in den türkischen Großstädten war Gegenstand vieler Debatten. Antalya ist eine dieser Städte. Warum ist Antalya so wichtig?

Ich fühle mich durch die Nominierung als Kandidatin für das Amt der Ko-Bürgermeisterin in Antalya durch den Frauenrat geehrt und möchte zunächst Folgendes sagen. Ich lebe hier, seit ich ein Jahr alt bin. Ich denke, ich kann mich als Frau aus Antalya bezeichnen. Antalya hatte schon immer eine kosmopolitische Struktur. Heute behält die Stadt dieses Profil durch die Zuwanderung aus der Türkei und aus dem Ausland bei. Die Tatsache, dass die Stadtverwaltung zwischen nur zwei Gruppen hin- und herwechselt, kann diese Vielfalt nicht widerspiegeln. Antalya hat mit seinen Menschen, seiner Geschichte und seiner Natur viel mehr verdient. Die Provinz ist unter dem Einfluss von AKP und CHP ausgeplündert worden. Die öffentliche Verwaltung hat eine ihrer Parteiideologie entsprechende Politik der Ausplünderung von Antalya betrieben. Antalya ist aber für eine vielfältige wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung offene Stadt. Wir wollen gemeinsam mit den Bewegungen und Dynamiken und den Räten im Konsens Projekte realisieren, um unsere Stadt zu retten. Unser Ko-Bürgermeisterkandidat hat eine treffende Feststellung zu diesem Thema gemacht: Antalya ist eine der Städte, die auf der Grundlage eines Paradigmas aufgebaut werden kann. Das stimmt, und wir kandidieren, um diese Stadt gemeinsam zu verwalten.

Sie waren Mitglied des Kreisrats von Kepez. Sie haben Erfahrung in der Kommunalverwaltung und kennen die Stadt. Wie war dieser Zeit für Sie?

Natürlich habe ich einige Beobachtungen und Erfahrungen in der Kommunalverwaltung gemacht. Ich sage das nicht nur für Kepez, das größte Problem für Antalya ist das Profitstreben. Anstatt das Potenzial des Tourismus- und Landwirtschaftssektors für die Entwicklung der Region zu nutzen, werden nur die Taschen bestimmter Gruppen und profitorientierter Kreise gefüllt. Das ist ein Problem, das in allen Kommunalverwaltungen auftritt. Als Juristin möchte ich sagen, dass es tiefgreifender rechtlicher Reformen für die Kommunalverwaltungen bedarf. Es ist nicht rational, wenn zentral die Bedürfnisse von 81 Provinzen bewertet und darüber entschieden wird. Die Dynamik ist überall anders. Die lokale Ebene kennt und erkennt ihre eigenen Bedürfnisse viel besser. Daher müssen die kommunalen Verwaltungen durch rechtliche Reformen gestärkt werden. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, sich die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung ins Gedächtnis zu rufen und zu berücksichtigen. Bei einer solchen Verwaltung handelt es sich um einen Mechanismus, der es ermöglicht, sowohl auf lokale Bedürfnisse zu reagieren als auch schnell zu handeln und damit Probleme zu lösen.

Antalya hat eine mehrsprachige und multikulturelle Identität und eine einzigartige Geschichte und Natur. Aber inwieweit spiegelt sich dies im Stadtrat und der Kommunalverwaltung wider?

Antalya ist wahrhaftig eine einzigartige Stadt, an dem verschiedene Identitäten seit Jahrhunderten zusammenleben. Es handelt sich um einen Ort mit einer sehr alten Stadtkultur. Wenn wir uns die Frage stellen, inwieweit diese im Parlament oder in den Kommunalverwaltungen repräsentiert werden, stoßen wir auf die Wirklichkeit einer im Teufelskreis von AKP und CHP gefangenen Stadt, einer Verwaltung, die die Einzigartigkeit der Stadt nicht wahrnimmt, deren Probleme nicht versteht und die Menschen nicht ausreichend vertreten kann. Frauen, Glaubensgemeinschaften, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen, Beschäftigte im Tourismus und in der Landwirtschaft haben hier keine Vertretung.

Wie und mit welchen Maßnahmen können die Kommunalverwaltungen Lösungen für die Probleme von Arbeitskräften in der Landwirtschaft, im Tourismussektor, in der Unterhaltungsbranche, von Minderheiten, Migrant:innen und Studierenden finden?

Viele Kommunalverwaltungen sind nicht in der Lage, ihre parteipolitische Haltung zu überwinden. Sie erkennen die Bedürfnisse und Probleme der Menschen nicht, denen sie dienen sollen. Kommunalverwaltungen haben jedoch die Aufgabe, Probleme direkt zu erkennen und Lösungen zu erarbeiten. Das ist unser Verständnis von Verwaltung. Nicht von oben herab, sondern von innen heraus und gemeinsam. Das kommunale Konsensmodell ist an dieser Stelle sehr wichtig. Wir wollen sicherstellen, dass in den Stadträten alle Gruppen, die das Leben in dieser Stadt bestimmen, vertreten sind, von den Beschäftigten in der Landwirtschaft und im Tourismus bis zu den Müllsammler:innen. Die richtige Diagnose von Problemen ist nur möglich, wenn die Betroffenen selbst zu Wort kommen. Dadurch kann sich eine Lösung entwickeln. Anstelle des systemischen Modells der kommunalen Regierung, in dem die Probleme derjenigen, die nicht vertreten sind, ignoriert werden, sollte die gesetzliche Basis für ein alternatives Modell der kommunalen Selbstverwaltung geschaffen werden. Darum werden wir uns bemühen.

Die beiden wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt sind die Landwirtschaft und der Tourismus. Einerseits sind diese Sektoren riesige Einnahmequellen, aber die Beschäftigten in der Landwirtschaft und im Tourismus leiden unter sehr schlechten Bedingungen. Wie können die Kommunen die Probleme der Beschäftigten lösen und was wollen Sie tun, wenn Sie gewählt werden?

Ja, der Landwirtschafts- und der Tourismussektor stellen eine große Einkommensquelle dar, aber eben nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen. Wenn man diese Sektoren betrachtet, stellt man fest, dass Ausbeutung, Rassismus und Sexismus sehr verbreitet sind. Bei den Tagelöhner:innen kann die Herkunft und das Geschlecht über die Höhe des Lohns entscheiden. Die von Ümit Özdağ und seinesgleichen geschaffene negative Haltung gegenüber Geflüchteten gefährdet Menschen, die unter Schutz stehen. Der Flüchtlingsstatus ist ein rechtlicher Schutzstatus. Saisonarbeiter:innen sind nie versichert. Außerdem brauchen Migrant:innen eine zusätzliche Arbeitserlaubnis. Vor einiger Zeit wurde einer syrischen Familie, die in der Saisonarbeit tätig war, das Geld vorenthalten, und als sie ihr Geld einforderte, wurde sie Opfer von Gewalt. Die Familie ging zur Polizei und erstattete Anzeige, aber gegen den Besitzer des Feldes wurde nichts unternommen, stattdessen wurde die Familie abgeschoben. Unser vorrangiges Ziel ist es, Kontrollmechanismen zu schaffen, um die Diskriminierung in diesen Bereichen zu beseitigen. Die meisten Beschäftigten hier arbeiten ohne Versicherung oder soziale Absicherung. Für die Arbeiter:innen in diesen Sektoren und ihre Familien sollten die notwendigen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden. Es sollten verschiedene Möglichkeiten für verschiedene Formen der Berufsausbildung geschaffen werden, und es können alternative Arbeitsplätze und Projekte für die Beschäftigung dieser Menschen im Winter aufgebaut werden. Die Beschäftigung kann im Rahmen von Kooperativen erfolgen. Sie können in die Lage versetzt werden, sich in anderen Arbeitsbereichen zu qualifizieren, und es können Möglichkeiten für sie geschaffen werden, ihr Leben jenseits der Saisonarbeit fortzusetzen. Eine sehr ernst zu nehmende Bevölkerungsgruppe verdient auf diese Weise ihren Lebensunterhalt. Sie lebt in vollständiger Unsicherheit, sowohl sozial als auch existenziell. Die Beschäftigten im Tourismus- und Landwirtschaftssektor müssen in den Stadträten wirksam vertreten sein, um ihre Probleme richtig zu erkennen und schnell Lösungen finden zu können. Unsere Pläne und Projekte für all diese Bereiche werden umso klarer, je mehr wir mit den Arbeiterinnen und Arbeitern aus diesen Sektoren zusammenkommen. Wenn sie sich selbst äußern, wird deutlich, was getan werden muss.

Sie haben festgestellt, dass Antalya ein entwickeltes Abfallmanagementsystem braucht. Woran mangelt es Ihrer Meinung nach bisher im Bereich der ökologischen Kommunalpolitik?

Wie Sie wissen, ist Antalya eine Tourismusregion und es gibt viele Hotels. Tausende von Tellern mit Lebensmitteln werden jeden Tag weggeworfen, vor allem während der Saison. Warum sollten diese Mahlzeiten nicht getrennt und als Katzen- und Hundefutter verwendet werden? Das ist mit fortschrittlicher Technologie durchaus möglich. Es gibt Tausende von streunenden Tieren, die Nahrung brauchen. Auch ist es möglich, die riesigen Abfallmengen, die in der Landwirtschaft anfallen, in Düngemittel umzuwandeln, indem man die organischen Abfälle trennt. Die Kommunen zögern, weil sie glauben, dass dies eine enorme finanzielle Belastung darstellen würde, aber Recycling-Projekte werden mit Mitteln der Europäischen Union unterstützt. Das System in Europa sollte als Beispiel genommen und in der Türkei umgesetzt werden. Auch wenn es nicht eins zu eins angewendet wird, sollten an dieser Stelle Anreize geschaffen werden. Die Abfallwirtschaft ist ein Thema, das die Zusammenarbeit der Regierung und der Kommunen erfordert und gesetzliche Regelungen benötigt. Doch von Anreizen zum Recycling kann aktuell gar nicht die Rede sein, stattdessen bestraft das Ministerium für Umwelt und Urbanisierung Schrotthändler, Papier- und Plastiksammler:innen. Diese Menschen tragen jedoch mit den von ihnen gesammelten Abfällen nicht nur zum Recycling bei, sondern sichern so auch ihren wirtschaftlichen Lebensunterhalt. Wir planen, diese Sammler:innen in der Stadtverwaltung zu beschäftigen. Ich halte es für sehr wichtig, dass das Abfallrecycling von erfahrenen Menschen in geordneter Weise durchgeführt wird, von Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das schafft auch Arbeitsplätze. Abgesehen von all dem ist die moralische Überzeugung und Gewissheit, das Richtige zu tun, sehr wichtig für unser Verständnis von Kommunalpolitik.

Antalya ist ein Ort mit ernsten Infrastrukturproblemen und ständigen Überschwemmungen. Was muss Ihrer Meinung nach im Hinblick auf die Urbanisierung und die Flächennutzung getan werden?

Antalya hat ein ernsthaftes Infrastrukturproblem und einen gravierenden Mangel an Katastrophenkoordination. Das haben wir sowohl bei dem Erdbeben im letzten Jahr als auch bei der Flutkatastrophe in den letzten Tagen gesehen. Die Erdbebenopfer, die in die Stadt kamen, wurden dankenswerterweise in Hotels untergebracht, weil es keine städtischen Einrichtungen gab. Das heißt, bis die Saison eröffnet wurde. Zu Saisonbeginn mussten sie die Stadt verlassen, da der Staat weder Container noch eine Unterkunft zur Verfügung stellte. Bei der letzten Überschwemmung kam ein Mensch ums Leben. Zu sagen, dass es zu viel geregnet habe, ist keine Antwort, das kann es nicht sein. Es ist nicht der Regen, der dieses Leben genommen hat, sondern die fehlende Infrastruktur. Dieses Leben kehrt nicht zurück. Es handelt sich um Katastrophen, die mit der Erschließung von Gebieten ohne angemessene Infrastruktur zusammenhängen. Dafür ist die Kommunalverwaltung direkt mitverantwortlich. Bei der letzten Flut wurden wieder viele Häuser überschwemmt. Die Menschen, die nicht mehr in diesen Häusern leben können, sind in Gästehäusern öffentlicher Einrichtungen untergebracht, nicht in denen der Stadtverwaltung. Sie sind in militärischen Einrichtungen untergebracht, in den Gästehäusern der Forstdirektion. Antalya wächst durch die ungeplante Urbanisierung rasant. Unser Verwaltungsansatz besteht darin, Infrastrukturprojekte mit kompetenten und spezialisierten Fachleuten zu entwickeln. Wir können den Menschen kein Projekt, das nicht in jeder Hinsicht evaluiert ist und dessen Risikofaktoren nicht kalkuliert sind, als „Dienstleistung“ anbieten. Die Infrastruktur entscheidet über das Schicksal einer Stadt, deshalb darf sie nicht dem Zufall oder dem Diskurs einer Politik, die sich damit schmückt, dass man eine Brücke oder eine Straße gebaut habe, geopfert werden. Straßen, Brücken und Gebiete, die gebaut werden, um sich selbst zu retten und einen kompetenten Anschein zu erwecken, kosten Leben. Wir werden dem keine Chance geben.

Was sind die Projekte, die Sie im Falle einer Wahl auf jeden Fall realisieren möchten?

Wir sagen, dass Antalya eine Stadt der Landwirtschaft und des Tourismus ist, aber die Menschen, die in dieser Stadt leben, haben weder Zugang zu billigem Obst und Gemüse noch können sie die Strände dieser Stadt nutzen und Urlaub machen. Das ist ein Problem, über das ich sehr verärgert bin. Zunächst einmal werden wir die notwendigen Vorkehrungen treffen, damit unsere Bürgerinnen und Bürger die Vorteile der Stadt so nutzen können, wie es ihnen zusteht. Die Menschen in Antalya verdienen eine menschenwürdige Verwaltung. Mit Hilfe von Kooperativen werden wir die Beschäftigten schützen und einen günstigeren Zugang zu Obst und Gemüse ermöglichen. Wir wollen auch die Zahl der öffentlichen Strände an den Küsten erhöhen. Antalya hat eine Küste von sieben Kilometern. Das ist die längste Küste der Türkei. An diesem sieben Kilometer langen Strand gibt es nur einen einzigen Strand für Menschen mit Behinderung. Das ist nicht inakzeptabel. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind ein großes Problem für Antalya. Ein Bus fährt von Istanbul nach Qêrs und schadet nicht, aber in einem Gebiet von zehn bis 15 Kilometern in Antalya, das voll von Menschen ist, scheint dem System ein Bus schädlich zu sein. Die Menschen müssen in überfüllten Bussen fahren. Es reicht nicht, dass die Menschen von morgens bis abends arbeiten, sie müssen an den Bussen Schlange stehen und hohe Preise für den Weg nach Hause zahlen. Es gibt nicht genügend Frauenhäuser, keine Kindergärten. Es gibt keine Studierendenwohnheime. Jedes Semester wächst das Wohnungsproblem. Das sind die Probleme, die mir direkt in den Sinn kommen. Natürlich gibt es viele Probleme, und wir werden uns bemühen, für jedes einzelne die richtige Lösung zu finden, so gut wir können.

Die kurdische Bevölkerung in Antalya nimmt von Tag zu Tag zu. Durch die Binnenmigration von Beschäftigten in der Landwirtschaft und im Tourismus, insbesondere von Saisonarbeitskräften, kommt es teilweise zu einer regelrechten Ghettoisierung. Was möchten Sie zu den Problemen der kurdischen Bevölkerung hier sagen?

Antalya ist eine Stadt, in der seit langem Kurdinnen und Kurden leben und die eine beträchtliche kurdische Bevölkerung hat. In der ersten Zeit wurden die Saisonarbeitskräfte nicht bezahlt und waren Rassismus ausgesetzt. Abgesehen von ökonomischen Gründen gibt es hier auch viele Menschen, die aus politischen Gründen migriert sind. Natürlich hat unsere Basis eine starke und widerständige Struktur, die in der Stadt weiterbesteht. Es gibt jedoch regelmäßig Provokationen. Das hängt immer von der politischen Atmosphäre in der Türkei ab. In diesem Punkt ist es notwendig, dass wir unsere organisierte Haltung auch über den Wahlkampf hinaus in aller Stärke weiterbehalten. In der aktuellen Situation betrachten wir unser Zusammenkommen mit dem Volk nicht nur als eine auf die Arbeit im Regionalwahlkampf. Überall, wo wir hinkommen, nehmen wir die Forderungen, Vorschläge, Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen mit auf. Das trägt zu unserer Entwicklung bei.

Natürlich ist die Perspektive von Frauen in den Kommunalverwaltungen überall sehr wichtig. Welche Frauenaktivitäten sollten Ihrer Meinung nach in den Kommunalverwaltungen unbedingt durchgeführt werden?

Während meiner Zeit in der Stadtverwaltung von Kepez habe ich in der Kommission für Chancengleichheit von Frauen und Männern mitgearbeitet. Inhaltlich gab es keine einzige Arbeit zu Geschlechterungleichheit oder Chancengleichheit. Frauen- und Geschlechterfragen können nicht durch verfahrensmäßig eingerichtete Kommissionen behandelt werden. Wir streben die Einrichtung einer Frauenabteilung innerhalb der Stadtverwaltung an. Wenn eine Frau sich an die Stadtverwaltung wendet, sollte sie sich selbst, ihre Probleme und Forderungen leicht äußern können. Ich halte es für sehr wichtig, eine zentrale Stelle zu haben, in der diese Aktivitäten direkt von den Frauen koordiniert werden, so dass sie sich frei äußern können. Ebenso sollte ein Frauenministerium anstelle des Ministeriums für Familie und Soziales eingerichtet werden. Denn bereits der Name des Ministeriums für Familien- und Sozialpolitik lässt keinen Raum für Frauen außerhalb der Familie und spiegelt diese nicht als Individuen in der Gesellschaft wider. Frauen werden nicht als Subjekte angesprochen. Unser Ziel ist es auch, die Beschäftigung von Frauen in den Gemeinden zu erhöhen. Wir wollen Frauenkooperativen gründen und dafür sorgen, dass Frauen in allen Lebensbereichen, von der Wirtschaft bis zum sozialen Leben, stärker beteiligt werden. Aufgrund der Kompetenz von Frauen, Probleme auf mehreren Ebenen anzugehen und Lösungen zu erarbeiten, ist es notwendig, starke Projekte in der Kommunalverwaltung zu entwickeln.