Ankara: Kobanê-Verfahren beginnt mit Protesten
Der Auftakt des sogenannten Kobanê-Verfahrens findet unter einem massiven Polizeiaufgebot statt. Die Anwältinnen und Anwälte der 108 Angeklagten haben den Sitzungssaal aus Protest verlassen.
Der Auftakt des sogenannten Kobanê-Verfahrens findet unter einem massiven Polizeiaufgebot statt. Die Anwältinnen und Anwälte der 108 Angeklagten haben den Sitzungssaal aus Protest verlassen.
Der sogenannte „Kobanê-Prozess" in Ankara beginnt unter einem massiven Polizeiaufgebot. Während Dutzende Polizisten den Sitzungssaal besetzen, wurde nur ein Teil der Anwältinnen und Anwälte in den Saal gelassen. Aus Protest haben alle Anwält*innen den Sitzungssaal verlassen.
Massenprozess gegen HDP
In dem Verfahren sollen 108 Personen, unter ihnen die ehemaligen Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş, unter dem Vorwand des Kobanê-Aufstands abgeurteilt werden. 28 der Angeklagten sind inhaftiert. Zwischen dem 6. und 8. Oktober 2014 war es zu heftigen Protesten gegen türkische IS-Unterstützung beim Angriff auf Kobanê gekommen. Vor allem durch Polizeigewalt kamen bei den Protesten Dutzende Menschen ums Leben. Die konstruierte Anklage gegen die Politikerinnen und Politiker lautet auf 37-fachen Mord. Es werden astronomische Strafen gefordert.
Pandemie als Vorwand, das Recht auf Verteidigung zu beschneiden
Das Verfahren findet vor dem 22. Schwurgerichtshof von Ankara im Gefängniskomplex Sincan statt. Mit der Begründung, es gäbe nicht genügend Platz, wurden fast 100 Anwältinnen und Anwälte der Verteidigung nicht in den Gerichtssaal gelassen. Auf den Plätzen der Verteidigung ließen sich Mitglieder von Aufstandsbekämpfungseinheiten der Polizei nieder. Die Anwält*innen, die bereits im Raum waren, forderten Einlass für die übrigen Verteidiger*innen. Der Vorsitzende Richter erklärte, dies werde aufgrund der Pandemie nicht geschehen.
Schweigen und Applaus aus Protest
Bei der Feststellung der Personalien setzten die Angeklagten ein Zeichen des Protests. Die anwesenden inhaftierten Angeklagten Bülent Parmaksız, Alp Altınörs, Günay Kubilay, Nezir Çakan, Mesut Bağçık, Zeki Çelik, Ayşe Yağcı, Bircan Yorulmaz, Dilek Yağlı, Emine Ayna, Emine Beyza Üstün, Pervin Oduncu, Sibel Akdeniz und Ayla Akat Ata protestierten zunächst durch Schweigen. Auch die über Video zugeschalteten politischen Gefangenen verweigerten dem Gericht jede Antwort. Anschließend protestierten die an ihren Sitzen gefesselten Angeklagten mit Applaus.
Verteidigung verlässt geschlossen den Gerichtssaal
Auch die Anwält*innen machten ihren Protest durch Applaudieren laut und wurden vom Gericht verwarnt. Anschließend verließ die Verteidigung geschlossen den Gerichtssaal. Währenddessen wurden alle Anwältinnen und Anwälte der Anklage und Nebenklage zugelassen.
Zivilgesellschaft beobachtet das Verfahren
Im Publikum befinden sich Vertreterinnen und Vertreter der Parteien HDP, CHP, TIP, EMEP, der Gewerkschaftsverbände KESK und DISK, der Berufsverbände TÜMBEL-SEN und SES und der Alevitischen Föderation (ABF), verschiedener Vereine sowie von elf internationalen Delegationen.