Kobanê-Verfahren: EU-Abgeordnete fordern Entsendung von Prozessbeobachter

In einem Brief an den Botschafter der Europäischen Union in der Türkei sprechen sich mehr als dreißig EU-Abgeordnete für die Entsendung eines Prozessbeobachters des am Montag beginnenden Kobanê-Verfahrens aus.

In einem Brief an den EU-Botschafter in der Türkei, Nikolaus Meyer-Landrut, haben sich mehr als dreißig Abgeordnete des Europäischen Parlaments für die Entsendung eines Prozessbeobachters nach Ankara ausgesprochen. Dort beginnt am kommenden Montag das sogenannte Kobanê-Verfahren. Angeklagt sind 108 Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und der kurdischen Befreiungsbewegung, die im Zusammenhang mit den Protesten während des IS-Angriffs auf Kobanê im Oktober 2014 terroristischer Straftaten und des Mordes in dutzenden Fällen beschuldigt werden. Allein für den ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtaş, fordert die Generalstaatsanwaltschaft bis zu 15.000 utopische Jahre Haft.

„Gewiss, die EU war im Jahr 2020 der erste Handelspartner der Türkei, und der Besuch der höchsten europäischen Politiker bei Erdoğan hatte – ungeachtet aller unangenehmen Zwischenfälle – das ausdrückliche Ziel, eine engere Zusammenarbeit mit der Regierung in Ankara wiederzubeleben”, heißt es einleitend in dem von 34 EU-Abgeordneten unterzeichneten Brief an Meyer-Landrut. Die „EU der Rechtsstaatlichkeit, der universellen Rechte" könne jedoch nicht schweigen angesichts Erdoğans gewalttätiger autoritären Wende, „die tausenden Menschen politische und bürgerliche Freiheiten verweigert, die freie Presse trifft und Patriarchat, Sexismus und Frauenfeindlichkeit preist” – nicht zuletzt durch den Rückzug aus der Istanbul-Konvention. „Die Glaubwürdigkeit unseres demokratischen Systems, der Werte der EU, steht auf dem Spiel”, mahnen die Abgeordneten.

In dem Brief wird betont, „dass der Protest in Solidarität mit den Menschen in Kobanê eine friedliche Demonstration zum Gedenken an die im Kampf gegen Daesh (arabisches Akronym für IS, Anm. d. Red.) Gefallenen sein sollte. Die Teilnehmenden waren also nicht nur HDP-Mitglieder oder politisierte Gruppen, sondern ganz normale Bürger, die die universellen Werte der Menschlichkeit und Solidarität öffentlich zum Ausdruck bringen wollten.” Daher sei es unerlässlich, dass die EU-Institutionen trotz der eingeschränkten Reise- und Bewegungsfreiheit wegen Corona beim Prozessauftakt physisch anwesend sind, um sicherzustellen, „dass alle Regeln eines ordnungsgemäßen Verfahrens eingehalten werden und die Angeklagten ihre Rechte gemäß den international anerkannten Standards zum Schutz der Menschenrechte wahrnehmen können.”

Bei den Unterzeichnenden des Briefes handelt es sich um:

Massimiliano SMERIGLIO, MEP S&D 

Alviina ALAMETSÄ, MEP Greens/EFA 

François ALFONSI, MEP Greens/EFA 

Pernando BARRENA, MEP The Left 

Brando BENIFEI, MEP S&D 

Malin BJÖRK, MEP The Left 

Antoni COMÍN I OLIVERES, MEP NA 

Gwendoline DELBOS-CORFIELD, MEP Greens/EFA 

Özlem DEMIREL, MEP The Left 

Sylvie GUILLAUME, MEP S&D 

Hannes HEIDE, MEP S&D 

Eva KAILI, MEP S&D 

Petra KAMMEREVERT, MEP S&D 

Stelios KOULOGLOU, MEP The Left 

Pierfrancesco MAJORINO, MEP S&D 

Erik MARQUARDT, MEP Greens/EFA 

Costas MAVRIDES, MEP S&D 

Martina MICHELS, MEP The Left

Alessandra MORETTI, MEP S&D 

Demetris PAPADAKIS, MEP S&D 

Dimitrios PAPADIMOULIS, MEP The Left Giuseppina PICIERNO, MEP S&D 

Manu PINEDA, MEP The Left 

Giuliano PISAPIA, MEP S&D 

Clara PONSATÍ OBIOLS, MEP NA 

Carles PUIGDEMONT I CASAMAJÓ, MEP NA Sira REGO, MEP The Left 

Andreas SCHIEDER, MEP S&D 

Guenther SIDL, MEP S&D 

Patrizia TOIA, MEP S&D 

Nikolaj VILLUMSEN, MEP The Left Bettina VOLLATH, MEP S&D 

Miguel URBÁN CRESPO, MEP The Left Salima YENBOU, MEP Greens/EFA