In Ankara ist der „Kobanê-Prozess“ gegen 108 Angeklagte fortgesetzt worden. Gegenstand des Verfahrens sind die Proteste in der Türkei zur Zeit des IS-Angriffs auf Kobanê im Oktober 2014. Unter den Angeklagten befindet sich der gesamte damalige Vorstand der Demokratischen Partei der Völker (HDP), so auch die ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ. Zwanzig der Angeklagten sind im Gefängnis. Nach dem gestrigen Prozesstag ist die heutige Verhandlung auf Donnerstag vertagt worden, weil sich der vorsitzende Richter nach einem Kontakt mit einer Corona-infizierten Person in Quarantäne befindet.
Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan hat am Montag erneut darauf hingewiesen, dass die Justiz in der Türkei auf „Befehl von oben“ arbeitet. Das Verfahren gegen ihre Parteikolleg:innen sei ein politischer Prozess ohne jegliche Rechtsgrundlage, die Anklageschrift bestehe aus Unwahrheiten und unbelegten Behauptungen, die mit der Realität nichts zu tun hätten.
Buldan rief dazu auf, die HDP nicht allein zu lassen: „Wir möchten zum Ausdruck bringen, wie wichtig es ist, dass die demokratischen Kräften sich solidarisch erklären. Die AKP sollte nicht versuchen, sich mit diesem Verfahren reinzuwaschen. Wer die finsteren Mächte in dieser Zeit waren, liegt auf der Hand. Die Bemühungen der HDP und der damalige Aufruf von Herrn Öcalan sind bekannt. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass es sich um einen politischen Prozess ohne juristische Grundlage handelt. Wir werden unsere Kolleginnen und Kollegen auf keinen Fall im Stich lassen.“
Angeklagt im sogenannten Kobanê-Verfahren von Ankara sind 108 Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und der kurdischen Befreiungsbewegung, die im Zusammenhang mit den Protesten während des IS-Angriffs auf Kobanê im Oktober 2014 terroristischer Straftaten und des Mordes in dutzenden Fällen beschuldigt werden. Allein für den ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş fordert die Generalstaatsanwaltschaft bis zu 15.000 utopische Jahre Haft.