Im Fall einer Gruppe italienischer Aktivist*innen aus Turin, die als „Gefahr für die Gesellschaft“ eingestuft und unter spezielle Beobachtung gestellt werden sollen, hat das zuständige Gericht in zwei Fällen einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Die Entscheidung gegen die drei anderen Betroffenen steht noch aus.
Die von der Turiner Staatsanwaltschaft geforderte Maßnahme „Sorveglianza speciale“ (spezielle Beobachtung) für Davide Grasso, Fabrizio Maniero, Paolo Andolina, Jacopo Bindi und Maria Edgarda Marcucci, die noch aus der faschistischen Gesetzgebung Italiens stammt, steht im Zusammenhang mit Aufenthalten der Internationalist*innen bei den Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie der Bewegung für eine demokratische Gesellschaft (TEV-DEM) in Nordsyrien/Rojava. Die Anhörung hatte bereits Ende Januar stattgefunden. Der Vorwurf lautete: Ausbildung an der Waffe. In seiner Entscheidung erklärte das Gericht am Donnerstag, dass der Kampf gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat” (IS) „eine Maßnahme zur Einschränkung persönlicher Freiheiten nicht rechtfertigt”. Das jetzige Urteil betrifft lediglich die Aktivisten Grasso und Maniero. Dennoch stellt es einen wichtigen Präzedenzfall für etliche YPG/YPJ-Freiwillige aus Italien dar, die sich für den bewaffneten Kampf gegen den sogenannten IS entschieden haben. Ihre Teilnahme am Krieg in Nordsyrien kann nach ihrer Rückkehr nicht mehr geahndet werden.
„Diese Entscheidung ist ein Sieg für die YPG und YPJ”, teilten die Aktivist*innen in einer Pressemitteilung mit. „Unser Ziel war es, das Gedenken an tausende Gefallene, die im Kampf gegen den IS ihr Leben ließen, die gesellschaftliche Revolution von Rojava, das internationale Ansehen der YPG und das kulturelle Nordsyriens zu verteidigen. Wir glauben, dass wir es erreicht haben.”
Für die Anwendung dieser sogenannten Präventionsmaßnahme muss keine Straftat vorliegen, sie kann lediglich auf der Grundlage von Angaben angewendet werden. Konkret will die Staatsanwaltschaft von Turin, dass die Aktivist*innen für zwei Jahre unter Passentzug und Hausarrest gestellt werden. Außerdem sollen sie sich regelmäßig bei der Polizei oder einer anderen Behörde melden. Ihre Führerscheine sollen ebenfalls eingezogen und auch ein politisches Betätigungsverbot soll ausgesprochen werden. Die Polizei dürfte die Aktivist*innen zudem in ihren Wohnungen zu willkürlichen Zeitpunkten aufsuchen. Nach Auffassung der Turiner Staatsanwaltschaft sollen die betroffenen Aktivist*innen nicht nur aufgrund ihrer militärischen Ausbildung, sondern auch (und vor allem) wegen ihre politischen Positionen als „gefährliche Subjekte” eingestuft werden.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version hieß es, das Gericht in Turin habe in allen fünf Fällen Anträge der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Tatsächlich steht die Entscheidung in drei Fällen noch aus.