Kampagne „PKK-Verbot aufheben“ – Vorträge gehen in die Endrunde

Aktivist:innen der Kampagne „PKK-Verbot aufheben“ reisen durch die gesamte Bundesrepublik, um über die Auswirkungen des Betätigungsverbot der PKK in Deutschland zu diskutieren. Sie rufen zur Demonstration am 18. November nach Berlin auf.

Seit Anfang Oktober reisen Aktivist:innen aus der Kampagne „PKK-Verbot aufheben“ durch die Bundesrepublik, um überall mit Menschen über das Demokratiedefizit des PKK-Verbots zu diskutieren. Die Kampagne „PKK-Verbot aufheben“ ist ein Netzwerk von politisch aktiven Menschen, die überzeugt sind, dass das PKK-Verbot in Deutschland umgehend aufgehoben werden muss. Mit der Vortragsreihe und dem Aktionsmonat informieren die Aktivist:innen der Kampagne über das PKK-Verbot, seine Geschichte und die Auswirkungen sowie den politischen und juristischen Kampf dagegen und rufen zum Jahrestag der Verbotsverfügung zu der bundesweiten Demonstration am 18. November nach Berlin ab 11 Uhr vom Oranienplatz und zur Aktionswoche im November für die Entkriminalisierung der Arbeiterpartei Kurdistans auf.

„Nächste Woche Sonntag ist es genau 30 Jahre her, dass Innenminister Kanther das Verbot jeder Betätigung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Nationalen Befreiungsfront (ERNK) erließ. Noch im Sommer 1993 hatte Bundeskanzler Helmut Kohl, mit Verweis auf Föderalismus erklärt, dass ein bundesweites Verbot der PKK nicht möglich sei“, so die Aktivist:innen der Kampagne „PKK-Verbot aufheben“. Sie erinnern: „Das Verbot wurde in einer Zeit erlassen, in welcher große Solidaritätsbewegungen in Europa gegen die Dorfverbrennungen der 90er Jahre in Nordkurdistan (Türkei) durchgeführt wurden. Diese große Solidaritätsbewegung sollte durch das Verbot kriminalisiert werden. Jedoch spielten auch einige andere Faktoren mit in das Verbot der PKK.

Das Verbot wurde auf Druck der türkischen Ministerpräsidentin Tansu Çiller in Deutschland erlassen. Dem Erlass des Betätigungsverbots ging eine mediale Hetzkampagne voraus, nachdem der schwedische Ministerpräsident Olof Palme 1986 ermordet wurde. Die Ermittlungen wurden sofort in Richtung PKK begonnen, ohne dass es einen Anhaltspunkt dafür gab. Jahre später konnte bewiesen werden, dass die PKK nichts mit der Ermordung zu tun hatte.

Ebenfalls ging dem Verbot der PKK der Düsseldorfer Prozess voraus, welcher vom damaligen Chef der Bundesanwaltschaft als ‚größter Terroristenprozess‘ bezeichnet wurde. Dieser begann 1989 gegen 18 kurdische Aktivist:innen. Für den Prozess wurde extra ein unterirdischer Gerichtssaal gebaut und ein als ‚Düsseldorfer Kurdenkäfig‘ bekannt gewordener Glaskasten für die Beschuldigten im Gerichtssaal eingeführt, der sie selbst von ihren Anwälten trennte.

Nach 4,5 Jahren Prozessführung wurde ein Großteil der Angeklagten freigesprochen. Vier von ihnen wurden aufgrund des PKK-Verbots verurteilt. Somit legte das PKK-Betätigungsverbot den Grundstein für die Verurteilung der Angeklagten.“

Durch die Verbotsverfügung kam es zu den größten Razzien der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik, erklären die Aktivist:innen der Kampagne und verdeutlichen: „35 vermeintliche Teilorganisationen wurden verboten, darunter Verlage und Vereine. Betroffen von dem Verbot waren in der Folgezeit sämtliche Demonstrationen, Kulturfeste, die Feier des kurdischen Neujahresfests Newroz und selbst kurdische Hochzeiten. Medial wurde dies begleitet durch die Stigmatisierung, dass alles Kurdische PKK und Terror sei. In der ‚Bild‘ und anderen Zeitungen wurde zudem der Begriff der ‚Terrorkurden‘ geprägt.

Auch heute noch sitzen viele Menschen aufgrund des Betätigungsverbots der PKK unter strengen Auflagen im Gefängnis in Deutschland. Und auch nach der Gefängnisstrafe geht die Bestrafung mit sogenannten ‚Politikverboten‘ weiter. Diese besagen unter anderem, dass die Betroffenen nicht an Demonstrationen teilnehmen oder keine kurdischen Vereine besuchen dürfen.“

Die Aktivist:innen resümieren, das trotz alledem der Widerstand des kurdischen Volkes durch das Verbot nicht gebrochen werden konnte, „vielmehr wurden die Widersprüchlichkeiten der deutschen Außenpolitik erkennbar. Drei Monate nach dem PKK-Verbot und dem Verbot von 29 Vereinen waren bereits 35 neue Vereine gegründet. Wir sehen das PKK-Verbot als ein schwerwiegendes Demokratiedefizit, welches juristisch nicht haltbar ist. Dies hat auch das Gerichtsurteil des belgischen obersten Gerichtshofs gezeigt, welches am 16. September 2017 urteilte, dass die PKK keine terroristische Organisation, sondern Partei eines bewaffneten Konflikts mit der Türkei ist.

Über diese Entwicklungen und die politischen und wirtschaftlichen Motivationen haben wir auch diese Woche in vielen Veranstaltungen gesprochen. Es fanden diese Woche unter anderem in Landshut, München, Ingolstadt, Tübingen, Greifswald, Görlitz, Kassel, Trier, Koblenz, Mainz, Bochum, Siegen, Münster und Einbeck Vorträge statt.“

Hier ein paar Eindrücke der Vorträge:

Landshut

Am 7. November fand eine Veranstaltung im Landshuter Infoladen statt. Nach dem Vortrag erzählte eine Frau von ihren Erfahrungen als kurdische Alevitin im besetzten Nordkurdistan als Kind, wie sie sich nach außen als Muslima ausgeben und auf eine Koranschule gehen musste. Durch das Erstarken der PKK konnten nicht nur die Kurd:innen ihre Identität freier ausleben, sondern auch andere ethnische und religiöse Gruppen wie die Alevit:innen konnten sich offen zu erkennen geben. Sie erzählte auch, dass ihre Tochter an der Landshuter Schule oft Probleme bekommt, weil sie widerspricht, wenn die Lehrer:innen die PKK als terroristisch bezeichnen, unkritisch von der „Entdeckung Amerikas" reden oder den Sozialismus als gescheitertes System gegen den „alternativlosen“ Kapitalismus stellen.

Greifswald

In Greifswald wurde der Vortrag in einem Kulturzentrum gehalten. Zu Beginn gab es eine Küche für alle (Küfa) und im Nachhinein wurde viel über Motivationen diskutiert, weshalb sich Menschen für die kurdische Freiheitsbewegung interessieren. Es wurde viel über Utopien gesprochen und auch kam die Frage nach Revolution oder Reform auf.

München

Der zweite Vortrag in München fand am 10. November im Rahmen der Veranstaltungsreihe Café Global – organisiert durch die Gruppe München International – statt. Es wurde über die Repression gegen die kurdische Gesellschaft in Deutschland diskutiert und dass mehr Solidarität im Kontext der Kriminalisierung notwendig ist.

Görlitz

Am Freitagabend fand im Bürgerbüro der Linken eine Veranstaltung statt. Es waren vor allem Menschen aus der Linken beim Vortrag, und im Nachhinein wurde sich über Erfahrungen mit Repressionen ausgetauscht und gemeinsam über Strategien der Gegenwart diskutiert.

Ingolstadt

Im Azad Şerger Zentrum in Ingolstadt fand am 11. November ein Vortrag statt. Es kamen einige Fragen zur PKK und ihre Beziehung zum Israel/Palästina Konflikt auf. Empfohlen wurden zur Position der PKK zur aktuellen Situation in Israel und Palästina die jüngst veröffentlichen Analysen des KCK. Es wurde auch darüber diskutiert, wie sich die Guerillataktik mit der Modernisierung der türkischen Armee, zum Beispiel mit dem Drohnenkrieg, ändert.

Kassel

Am 13. November fand eine Veranstaltung im Studierendenhaus der Universität Kassel statt. Schon während des Vortrages gab es intensive Diskussionen über das Repressionsregime in Deutschland und die Verstrickungen mit der Türkei. Dabei standen insbesondere die gesellschaftlichen Perspektiven und die Verbotspolitik im Zentrum. Nach dem Vortrag wurde sich in kleineren Gruppen ausgetauscht und noch längere Zeit weiter diskutiert.