Istanbul: Polizei geht gewaltsam gegen Gay Pride vor

Die türkische Polizei ist auch in diesem Jahr wieder gewaltsam gegen die Istanbuler Gay Pride vorgegangen. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen, darunter auch der AFP-Reporter Bülent Kilic.

Die türkische Polizei ist in Istanbul gewaltsam gegen eine Demonstration für die Rechte von homosexuellen Menschen vorgegangen. Mit Tränengas und Gummigeschossen trieben sogenannte Anti-Aufruhr-Einheiten die Teilnehmenden der Gay Pride auseinander, die sich friedlich in der Mis Sokak nahe des zentralen Taksim-Platzes versammelt hatten. Viele Angehörige der LGBTI-Community suchten Schutz in Hotels und Wohnhäusern. Der Taksim und mehrere Straßen, die zur Einkaufsmeile Istiklal Caddesi führen, sind abgesperrt.

Wie viele Personen insgesamt in Gewahrsam genommen worden sind, ist derzeit noch unklar. Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Fotojournalist Bülent Kilic, der als Reporter für die Nachrichtenagentur AFP arbeitet. Auf Fotos ist zu sehen, dass Kilic von Polizisten zu Boden gebracht und mit Handschellen gefesselt wurde. Währenddessen kniet ein Beamter auf seinem Rücken. Die Polizei begründet den Übergriff auf die Demonstration, die das Ende der „Istanbul-Pride-Woche” markiert, mit einem Versammlungsverbot. Der Onur Yürüyüşü (tr. Marsch des Stolzes) war am Donnerstag vom Istanbuler Gouverneur verboten worden, unter anderem wegen „möglichen Provokationen innerhalb der Provinzgrenzen“.

Moment der Festnahme von Bülent Kilic | Ozan Köse

Ein Teil der Demonstration zog dennoch bis zum Tünel. Dort wurde eine Erklärung verlesen, in der es unter anderem hieß: „Wir schützen und erweitern unsere Lebensräume – der Mafia, dem Hass und der Polarisierung zum Trotz. Wir schützen unsere Straßen gegen die Unterdrückung der Gesellschaft, die in den letzten Jahren systemische Züge trägt.“ Der Widerstand gegen jene, die das Frauenschutzabkommen „Istanbul-Konvention“ in einer „Nacht- und Nebelaktion“ aufkündigten – gemeint ist Recep Tayyip Erdoğan und dessen AKP – werde auch weiterhin von Frauen und der LGBTI-Community ausgetragen.

Gedenken an ermordete HDP-Aktivistin Deniz Poyraz

„Wir als Lubunyas [queere Personen], die von Staatsministern, deren Beziehungen zur Mafia offengelegt wurden, als ‚Perverse‘ diffamiert werden, setzen ihren Kampf dafür fort, an Sichtbarkeit zu gewinnen, vom Moralismus abzuweichen und auf der Straße Widerstand leisten.“ So wie die Kurd:innen, die aus der Politik gedrängt und deren Parteizentralen mit dem Ziel, Angst zu verbreiten, „gestürmt“ würden, Deniz Poyraz am Leben hielten; und so wie die Menschen „in Ikizdere und allen anderen Orten, an denen die Natur, Berge, Gewässer und Wälder“ ausgebeutet werde, ihre Kämpfe fortsetzen, „werden auch wir LGBTI+ weiter kämpfen“.