Iran: Angeblich 22.000 inhaftierte Demonstrierende begnadigt

In Iran sind angeblich 22.000 Teilnehmende der Proteste nach dem staatlichen Femizid an Jina Mahsa Amini begnadigt worden. Kritiker:innen und Menschenrechtler:innen bezeichnen die Amnestien als Scheinmanöver.

In Iran sind angeblich 22.000 Teilnehmende von regimekritischen Protesten begnadigt worden. Diese Zahl nannte die staatliche Nachrichtenagentur IRNA am Montag unter Berufung auf die iranische Regimejustiz. Die Begnadigungen sollen im Rahmen einer kürzlichen Großamnestie erfolgt sein, wie es hieß. Es war das erste Mal, dass die Justiz überhaupt Zahlen zu Festnahmen im Rahmen der Proteste bekannt gab. Wie viele der Demonstrierenden noch inhaftiert sind, ist nicht bekannt.

Vor einer Woche berichteten Staatsmedien, dass Irans oberster Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei anlässlich des Jahrestags der Islamischen Revolution von 1979 insgesamt mehr als 80.000 Gefangene begnadigt hätte. Den Schritt kündigte Teheran bereits im Februar an. Ähnliche Amnestien gab es immer wieder rund um den Jahrestag.

Amnestien als Scheinmanöver?

Kritische Stimmen in Iran und im Ausland gehen jedoch davon aus, dass die Amnestien für die Teilnehmenden der Proteste ein Ablenkungsmanöver sind. Sie bemängeln die strengen Voraussetzungen, an die Begnadigungen geknüpft sind und Entlassung praktisch verunmöglichten. Unter anderem werde keinen Gefangenen vergeben, denen angebliche Spionage zur Last gelegt wird. Auch Vorwürfe wie Mord, Beschädigung oder Brandstiftung von Regierungs- oder Militäreinrichtungen schließen einen Gnadenspruch aus.

Unter anderem deshalb zweifeln auch Menschenrechtsorganisationen, dass es sich bei den Begnadigungen um einen Sinneswandel des Regimes handelt. Denn gerade diese Anschuldigungen waren gegen einen Großteil der inhaftierten Demonstrierenden verwendet worden. Für eine Begnadigung müsse zudem eine Anklage vorliegen. Sei dies nicht der Fall, müssten sich Inhaftierte selbst belasten. Darüber hinaus sind bereits mehrere Demonstranten im Zusammenhang mit dem Volksaufstand hingerichtet worden.

Über 530 getötete Demonstrierende

Die jüngste Protestwelle im Herbst hatte Irans politische und geistliche Führung in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt. Auslöser war der staatliche Femizid an der Kurdin Jina Mahsa Amini. Die 22-Jährige aus Seqiz war Mitte September wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften in Teheran festgenommen und auf einer Polizeiwache zu Tode misshandelt worden. Die Tötung Aminis zündete den Funken zur „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution, die das Regime mit aller Gewalt zu zerschlagen versuchte. Mehr als 530 Demonstrierende wurden im Rahmen der Proteste getötet, Tausende verletzt und etwa 25.000 festgenommen.