In Iran droht mindestens 24 Demonstrantinnen und Demonstranten laut einem Medienbericht die Hinrichtung, weil sie sich an der Revolte gegen das Regime beteiligt haben sollen. Die iranische Tageszeitung Etemad veröffentlichte am Samstag eine von der Justizbehörde zusammengestellte Liste mit 25 Namen von Protestierenden, denen „Kriegsführung gegen Gott“ („Moharebeh“) vorgeworfen wird. Gemäß islamischer Rechtsauffassung steht auf diese Anklage das Todesurteil.
Auf der Liste steht auch der Name des Rappers Mohsen Shekari, der bereits am Donnerstag hingerichtet wurde. Dem 23-Jährigen war vorgeworfen worden, auf einer der Protestkundgebungen am 25. September im Zentrum von Teheran die Straße mit Barrikaden gesperrt, „Schrecken verbreitet“ und ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer verletzt haben.
Shekaris Hinrichtung wurde im In- und Ausland scharf verurteilt. Die Bundesregierung hat den iranischen Botschafter einbestellt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf dem herrschenden Klerus in Teheran nach Vollstreckung des Todesurteils „Menschenverachtung“ vor. Doch die iranische Führung, unter anderem Präsident Ebrahim Raisi, bezeichnete das Todesurteil als legitime Antwort auf die Proteste im Land und wiederholte die Anschuldigung, wonach das Ausland die Proteste befeuern und organisieren würde.
Die Demonstrierenden selbst drohten dem System mit Vergeltung. Im Netz kursierte die Botschaft „Wartet auf unsere Rache“. Am Wochenende planen Menschen mit Wurzeln in Iran in mehreren Städten weltweit Protestveranstaltungen. Auch in Iran selbst dauern die landesweiten Demonstrationen und Streiks trotz blutiger Gewalt des Regimes und der Abschottung vom Internet weiter an. Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtete von Schüssen auf Händler und Basaris in der Stadt Sine (Sanandadsch) in Rojhilat (Ostkurdistan). An der Technischen Hochschule von Sine setzten Studentinnen aus Protest gegen das Regime die iranische Fahne in Brand.
Fast 500 Todesopfer seit Beginn der Revolte
Auslöser für den inzwischen fast drei Monate andauernden Volksaufstand in Iran und Ostkurdistan war der gewaltsame Tod von Jina Mahsa Amini. Am 13. September war die 22-jährige Kurdin aus Seqiz (Saqqez) in Teheran von der „Sittenpolizei“ festgenommen worden, weil sie die Kleidungsvorschriften missachtet haben soll. Drei Tage später starb sie infolge von Misshandlungen in Polizeihaft. Seitdem demonstrieren Zehntausende im Land gegen die autoritäre Politik des islamistischen Regimes und fordern einen Systemwechsel. Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass fast 500 Demonstrierende getötet worden sind, darunter mehr als 60 Kinder. Außerdem wurden mehr als 18.000 Menschen verhaftet.