Impressionen von der „Öcalan-Aktion“ in Strasbourg

In Strasbourg finden zurzeit zwei verschiedene kurdische Aktivitäten statt. Die eine ist eine Dauermahnwache unter dem Motto „Freiheit für Abdullah Öcalan“, die andere ein Sitzstreik mit der Forderung nach sofortigem Kontakt zu Öcalan.

Die Mahnwache läuft ununterbrochen seit dem 25. Juni 2012. Jede Woche kommt eine neue Gruppe aus einem anderen europäischen Ort, um für die Freiheit Öcalans zu demonstrieren. Die 286. Gruppe ist eine Frauenabordnung der PYD aus Bremen: Menal Doko, Ronahî Welat, Xalîse Mihemed Salih und Resmiye Nayif.

Ich möchte für den Sender Stêrk TV ein Gespräch mit ihnen führen. Als sie erfahren, dass es sich um eine Live-Sendung handelt, reagieren sie zurückhaltend. Ich versuche sie zu beruhigen und kann sie schließlich überzeugen. Sie sprechen sich untereinander ab, wer als Sprecherin fungieren soll. Bereits daran wird deutlich, dass sie als Frauen organisiert sind und aus einer revolutionären Gegend stammen.

„Das sind wir ihm schuldig“

Schließlich ergreift Menal Doku im Namen der PYD-Frauen das Wort. Sie stammt aus Qamişlo und strahlt, als ich sie nach der Bedeutung Öcalans frage. „Heval“, sagt sie, „er ist unser Ein und Alles!“ Öcalan habe für sie als eine Frau aus Rojava eine ganz besondere Bedeutung, erklärt sie. „Vor Öcalan“ sei es in Rojava für Frauen sehr schwer gewesen. Die Erinnerung an diese Zeit macht sie wütend: „Frauen waren nur dafür da, um Kinder zu gebären und Männern zu dienen. Erst durch den Kampf von Serok haben Frauen angefangen, sich zu wehren und zu befreien. Damit wurde diesem sklavenähnlichen Dasein ein Ende gesetzt.“ Menal lächelt.

Die Teilnahme an der Mahnwache ist eine Selbstverständlichkeit für sie: „Das sind wir ihm schuldig“, erklärt sie. Die ganze Revolution in Rojava und Nordsyrien sei ein Ergebnis des Kampfes Öcalans. Daher sollten sich insbesondere die Menschen aus Rojava an der Kampagne für seine Freilassung beteiligen.

„Sofortiger Kontakt zu Öcalan“

Die zweite Aktivität in Strasbourg ist ein Sitzstreik vor dem CPT, dem Antifolterkomitee des Europarats. Er ist Teil der Kampagne „Die Zeit ist reif – Freiheit für Abdullah Öcalan!“ und läuft seit dem 23. Oktober. Die momentan einzige Institution, die Öcalans Gesundheitszustand überprüfen könnte, ist das CPT. Aus diesem Grund wurde es aufgefordert, eine Delegation auf die Gefängnisinsel im Marmarameer zu Öcalan zu entsenden. An dem Sitzstreik beteiligen sich rund um die Uhr ständig neue Menschen.

Als ich diesen Sitzstreik für Stêrk TV beobachtete, geschah etwas Merkwürdiges. Vor Beginn meines Live-Auftritts in der Nachrichtensendung waren bereits drei Polizisten am Aktionsort aufgetaucht. Sie blieben nur wenige Minuten und fuhren wieder weg. Als die Live-Sendung begann, erschien ein weiterer Polizeiwagen. Darin saßen eine Polizistin mutmaßlich türkischer Herkunft sowie zwei Polizisten, die arabisch aussahen. Zunächst sah es so aus wie ein gewöhnlicher Kontrollbesuch. Als mein Live-Beitrag jedoch zu Ende war, änderte sich das Verhalten der Polizist’innen. Die Polizistin trat provokant auf und forderte die Aktivist*innen in lautem Tonfall auf, das Feuer zu löschen, an dem diese sich aufwärmten. Die beiden männlichen Polizisten verhielten sich nicht anders und forderten die Ausweise der Verantwortlichen. Die Aktivist*innen merkten jedoch schnell, dass es sich um einen Provokationsversuch handelte, und ließen sich nicht darauf ein.    

Anschließend wurde ein Vertreter einer zivilgesellschaftlichen Einrichtung aus Strasbourg, der zwischen der Polizei und dem Aktionskomitee vermittelt, von dem Vorfall informiert. Nach verschiedenen Gesprächen erfuhr ich, dass die Polizistin türkischer Herkunft offensichtlich eine Auseinandersetzung provozieren wollte, damit die in der kommenden Woche geplante Großdemonstration verboten wird.

Der genannte Vertreter kündigte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die beteiligten Polizist*innen an. Die Aktivist*innen hingegen tanzten um ihr Feuer herum.