In Berlin-Kreuzberg hat am Dienstag eine Informations- und Spendenveranstaltung des Bündnisses Ihr seid keine Sicherheit! gegen Polizeigewalt, Sexismus, Rassismus und rechte Strukturen in den Sicherheits- und Justizbehörden stattgefunden. Bei der Veranstaltung wurden alternative und selbstorganisierte Ansätze zu Gerechtigkeit vorgestellt. Die feministische Organisierung Gemeinsam Kämpfen gab einen Einblick in die Methoden des Demokratischen Konföderalismus.
Gemeinsam Kämpfen ist Teil des Berliner Netzwerks gegen Feminizide, das im Bündnis „Ihr seid keine Sicherheit“ vertreten ist. Die Referent:innen erklärten: „Wir sehen, dass in einem System, welches von Unterdrückung lebt, niemals vollständige Gerechtigkeit geschaffen werden kann. Deswegen blicken wir auf die Errungenschaften der kurdischen Befreiungsbewegung, welche mit ihrem dekolonialen, ökologischen und feministischen Kampf aus diesem System ausgebrochen ist.”
In dem Referat wurde berichtet von Unterschieden und Gemeinsamkeiten im Umgang mit Gerechtigkeit in Rojava, Camp Mexmûr und Bakur (Nordkurdistan). Weiter wurde auf die Bedeutung von Gerechtigkeit für die Organisierung selbst eingegangen, auf die Wichtigkeit der Persönlichkeitsentwicklung, um Ungerechtigkeit nicht in eigenen Strukturen zu reproduzieren. Abdullah Öcalan wurde zitiert, dass er „den dominanten Mann in sich töten” müsse.
Weiter hieß es in dem Referat: „Es ist unsere Aufgabe, die Mentalität des kolonialen, eurozentristischen und patriarchalen Kapitalismus in unseren Persönlichkeiten und Strukturen zu überwinden. Um dies zu gewährleisten, ist die autonome Organisierung von Frauen, Jugend, Queers, migrantisierten Menschen und allen weiteren Unterdrückten elementar, um ihre Interessen gemeinsam durchzusetzen und um privilegierte Gruppen zu kritisieren.“ Das Referat endete mit der Feststellung, dass die gemeinsame Organisierung aller Unterdrückten der einzige Garant für das Erreichen von Gerechtigkeit ist. Dafür sei es elementar, Konflikte untereinander zu lösen und auch Widersprüche auszuhalten.
Auf der Veranstaltung wurden noch weitere Konzepte von unterdrückten Gruppen vorgestellt, zum Beispiel Transformative Justice (transformative Gerechtigkeit) aus der Schwarzen Community in den USA, feministische Polizeikritik und kollektive Verantwortungsübernahme in der queeren Bewegung.
Die Veranstaltung war gut besucht und die Anwesenden folgten den Beiträgen mit großem Interesse. Es gab außerdem einen Büchertisch, auf dem verschiedene Werke zum Thema auslagen. Zwischen den Vorträgen wurde sich an Kuchen und einem kleinen Flohmarkt erfreut, um Spenden für das Bündnis zu sammeln.
Seit 1990 rund 200 Menschen in deutschem Polizeigewahrsam gestorben
Das Bündnis „Ihr seid keine Sicherheit“ fordert neue Sicherheitskonzepte und ein Umdenken bezüglich Strafen und Kontrolle. In der Einladung zu der Veranstaltung schreibt das Bündnis:
„In Deutschland starben seit 1990 rund 200 Menschen in Polizeigewahrsam. Tausende Waffen, Munitionshülsen und personenbezogene Daten finden regelmäßig ihren Weg aus den Sicherheitsbehörden in die Hände von Nazis. Wöchentlich fliegen rechtsextreme Chatgruppen innerhalb der Reihen von Polizei, Verfassungsschutz und Militär auf. Das sind schon lange keine Einzelfälle mehr!
Dies alles geschieht, während die NSU-Akten unter Verschluss liegen und die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh ebenso verhindert wird wie nahezu alle Verfahren, welche gegen die Polizei, Verfassungsschutz und Co. eingeleitet werden. Zeitgleich gibt Berlin immer mehr Geld für die Polizei aus. Die Ausgaben für Personal und Sachmittel sind dabei seit 2010 absolut und relativ gestiegen, also zulasten anderer Bereiche, wie bspw. Bildung und Soziales.
Es bleibt die Frage: Für wessen Sicherheit sorgen diese Behörden eigentlich? Und was macht uns wirklich sicher?
Wir wollen nicht nur anklagen, sondern auch einklagen: neue Konzepte von Sicherheit sind nötig und dafür benötigen wir ein Umdenken bezüglich Strafen und Kontrolle. Alles nur Utopie oder wie können alternative Sicherheitskonzepte konkret aussehen? Darüber wollen wir mit euch sprechen!”
Foto: Demonstration am 8. Mai 2021 in Berlin, ISKS