Auf Initiative der Bundesregierung hat der UN-Sicherheitsrat ein energischeres Vorgehen der Weltgemeinschaft gegen sexualisierte Gewalt in Krisengebieten gefordert. In einer am Dienstag in New York verabschiedeten Resolution forderte das Gremium die UN-Mitgliedstaaten auf, ihre Gesetzgebung zu solchen Gewaltakten zu stärken und die Verfolgung der Täter auszuweiten. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte die Resolution einen „Meilenstein“. Allerdings wurde der Text auf Druck der USA und anderer Staaten abgeschwächt. Die Amerikaner hatten sich an einer Textpassage gestört, in der es um „sexuelle und reproduktive Gesundheit” ging. Erst nachdem dieser Passus gestrichen wurde, stimmten die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats ab. Frankreichs UN-Botschafter François Delattre sagte, die Änderung am Text sei „nicht hinnehmbar und untergrabe die Würde von Frauen”. An der Sitzung nahmen unter anderem auch die zwei Friedensnobelpreisträger*innen von 2018, Denis Mukwege und die ezidische Aktivistin Nadia Murad, UN-Generalsekretär António Guterres und Menschenrechtsanwältin Amal Clooney teil.
Das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit (Civaka Azad) in Berlin bezeichnet das Eintreten Heiko Maas’ gegen Straflosigkeit der Täter als „Lippenbekenntnis”. „Der sogenannte Islamische Staat hat Tausende Menschen ermordet, Tausende jesidischer Frauen vergewaltigt und versklavt, aber die Taten wurden bislang nicht geahndet, die Täter gingen straflos aus. Daher ist die Resolution lange überfällig und begrüßenswert”, heißt es am Mittwoch in einer Presseerklärung.
Antonio Guterres, Amal Clooney, Nadia Murad, und Heiko Maas (von links) bei der Debatte des UN-Sicherheitsrates zum Thema sexueller Missbrauch in Konflikten
In der Erklärung wird darauf hingewiesen, dass in den Gefängnissen der kurdischen Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien über 1.300 ausländische IS-Mitglieder sitzen, denen schwerste Verbrechen zur Last gelegt werden. Viele von ihnen sind Staatsbürger der USA, Frankreichs und der Bundesrepublik. Hinzukommen noch rund 11.000 IS-Frauen und Kinder, die in Lagern versorgt werden müssen, in denen es an allem mangelt, weil die internationale Gemeinschaft den Kurden in Syrien Hilfe versagt. Seit Monaten bereits appellieren die nordostsyrischen Behörden an die Herkunftsstaaten, dass sie Verantwortung für ihre Staatsbürger übernehmen, diese zurückholen und vor Gericht stellen. „Den deutschen Behörden wurde umfangreiches Belastungsmaterial zur Verfügung gestellt, der Bundesnachrichtendienst war vor Ort und es gibt inzwischen 18 Haftbefehle gegen deutsche IS-Mitglieder”, so Civaka Azad.
Aber ausgerechnet Heiko Maas, der sich vor den UN öffenlichtkeitswirksam gegen die Straflosigkeit dieser Täter ausspreche, tue nichts, um diese einem ordentlichen Strafverfahren zuzuführen, kritisiert die Organisation. Mit der „fadenscheinigen Begründung”, dass es in Syrien keine konsularische Vertretung gebe, ignoriere der deutsche Außenminister eine Überstellung der Gefangenen und lasse die nordsyrische Selbstverwaltung mit dem Problem der inhaftierten IS-Mitglieder und ihrer Familien allein. Ibrahim Murad, Repräsentant der kurdischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in Berlin, habe von mehrfachen Kooperationsangeboten an das Auswärtige Amt und konkreten Vorschlägen, wie eine Überstellung organisiert werden könnte, berichtet. Auf Anfrage der Zeitung WELT leugne das Amt diese Angebote, so Civaka Azad. Dr. Abdulkarim Omar, Verantwortlicher für Außenbeziehungen der Autonomen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, zeige ebenfalls zwei Möglichkeiten zur Verurteilung der festgenommenen IS-Mitglieder auf, entweder vor Ort oder in den Herkunftsländern.
„Die Bundesrepublik leugnet Kontakte mit der nordsyrischen Selbstverwaltung, obwohl sie als Teil der internationalen Koalition vor Ort einen direkten, offiziellen Kontakt mit den Verantwortlichen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) pflegt. Doch die Sensibilität der türkischen Regierung scheint wichtiger zu sein als die eigenen Wertvorstellungen – entgegen der Verlautbarung von Heiko Maas vor der UN. In Prozessen gegen IS-Mitglieder wird ans Tageslicht kommen, in welchem Ausmaß die Türkei den IS unterstützt hat und was die Bundesregierung davon wusste. Gegen sie könnte sogar der Vorwurf der Strafvereitelung im Amt erhoben werden”.
Ungeachtet dessen müsse Heiko Maas, wenn er es mit dem Kampf gegen sexualisierte Gewalt und Straflosigkeit der Täter tatsächlich ernst meine, dafür sorgen, dass die IS-Gefangenen entweder vor ein deutsches Gericht oder – wie von den nordostsyrischen Autonomiebehörden vorgeschlagen – vor ein internationales Sondergericht gestellt werden, fordert Civaka Azad. Dies wäre eine fortgesetzte Bekämpfung gegen den IS wie dies zuvor in Form der militärischen Bekämpfung der Fall war. „Das gebietet das Völkerrecht und die moralische Verpflichtung gegenüber denjenigen, die zu Opfern dieser Verbrecher wurden und denen, die die größten Opfer im Kampf gegen den IS gebracht haben."