Update: 360 Tote bei Erdbeben

Bei zwei Erdbeben in Nordkurdistan und Nordsyrien sind mindestens 360 Menschen ums Leben gekommen. Bisher wurden 123 Opfer in Nordkurdistan gezählt. Tausende sind verschüttet.

Zwei heftige Erdbeben haben kurz nacheinander am frühen Montagmorgen kurdische Provinzen im Südosten der Türkei und Nordsyrien erschüttert. Laut dem Geoforschungszentrum Potsdam hatten die beiden Beben Stärken von 7,4 und 7,9. Sie ereigneten sich laut den Angaben gegen 4.17 Uhr (Ortszeit) und 4.28 Uhr (Ortszeit) in einer Tiefe von zehn Kilometern. Das Epizentrum lag beide Male etwa 30 Kilometer nordwestlich von Dîlok (tr. Gaziantep). Ersten Berichten zufolge sind mindestens 360 Menschen gestorben, 123 davon in Nordkurdistan. Hunderte weitere Menschen sind verletzt. Tausende Menschen werden noch unter eingestürzten Gebäuden vermutet.


Die türkische Katastrophenschutzbehörde (AFAD) schätzte die Stärke des Bebens auf 7,4 in Markaz (Pazarcık) in der Provinz Gurgum (Maraş) und in der weiter südöstlich gelegenen Stadt Dîlok an der Grenze zu Syrien. Starke Erschütterungen waren auch in umliegenden Provinzen wie Semsûr (Adıyaman), Meletî (Malatya), Êlih (Batman), Çewlîg (Bingöl), Xarpêt (Elazığ), Amed (Diyarbakır), Mêrdîn (Mardin), Sêrt (Siirt), Wan (Van), Bedlîs (Bitlis), Mûş (Muş), Colemêrg (Hakkari), Şirnex (Şırnak), Osmaniye, Adana und Kilis zu spüren.

Unzählige Gebäude zerstört

Nach türkischen Behördenangaben ist es zu insgesamt 22 teils starken Nachbeben gekommen – der US-Erdbebenwarte USGS zufolge mit einer Stärke bis zu 6,7. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu sagte, es würden Rettungsteams aus dem ganzen Land zusammengezogen, um der Katastrophe zu begegnen. Anwohnende beklagen allerdings zu wenig Hilfe von den Behörden. Auf Bildern von Nachrichtenagenturen ist zu sehen, dass zahlreiche Gebäude einstürzten oder beschädigt sind. Menschen versammelten sich auf den Straßen, andere suchten in den Trümmern nach Verschütteten. Im kurdischen Teil des Landes ist es zurzeit sehr kalt, teilweise liegt Schnee.

Riha | Foto: MA

Die Such- und Rettungsarbeiten in den Trümmern der eingestürzten Gebäude in Amed (tr. Diyarbakır) gehen weiter. Viele Menschen wurden aus vier eingestürzten Gebäuden in den Bezirken Payas (tr. Kayapınar) und Rezan gerettet. Die Plattform zum Schutz und Solidarität Amed richtete einen Krisentisch ein.

Der türkische Gouverneur der nordkurdischen Provinz Gurgum (tr. Maraş) Ömer Faruk Coşkun erklärte: „Es ist derzeit nicht möglich, die Zahl der Toten und Verletzten in dem eingestürzten Gebäude zu nennen. Der Schaden ist ernst.“

Der Gouverneur von Antep (kr. Dîlok) meldete, dass bei ihm bisher Nachrichten über 531 eingestürzte Gebäude eingetroffen seien. Der Gouverneur von Meletî gab bekannt, dass 130 Gebäude in der gleichnamigen Provinzhauptstadt eingestürzt sind. Der Gouverneur der Provinz Osmaniye bestätigte, dass mindestens fünf Personen infolge des Erdbebens ums Leben gekommen seien. 34 Gebäude seien eingestürzt. Aus Amed, das etwa 350 Kilometer östlich des Epizentrums liegt, wurden 17 zerstörte Gebäude gemeldet. Viele Menschen seien unter den Trümmern verschüttet. Dort erschütterte das Beben vor allem den zentralen Stadtteil Bajarê Nû (Yenişehir). In der Provinz Riha (Urfa) stürzten 16 Gebäude ein, darunter ein siebenstöckiges Gebäude im Bezirk Xelîlî (Haliliye). Der Gouverneur sprach von mindestens zehn Todesopfern, Retter suchen nach Verschütteten.

Mindestens 237 Tote in Syrien

Das Erdbeben war auch in Syrien, Irak, Ägypten, Irak und Libanon zu spüren. Syrische Staatsmedien berichteten, dass einige Gebäude in der nördlichen Stadt Aleppo und der zentralen Stadt Hama eingestürzt seien. Aus Syrien werden bisher 237 Tote gemeldet. Zahlreiche Menschen wurden unter Trümmern begraben. In Qamişlo, Kobanê und anderen Teilen der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien sowie der türkischen Besatzungszone rund um Efrîn wurde die Erde ebenfalls erschüttert. Das genaue Ausmaß der Katastrophe ist aber noch nicht absehbar.

Immer wieder schwere Erdbeben

Die Türkei liegt in einer der aktivsten Erdbebenregionen der Welt. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt damit faktisch in ständiger Erdbebengefahr. Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. 2011 starben bei schweren Erschütterungen in Wan über 600 Menschen. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die Stadt Izmit im Nordwesten des Landes kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Fachleute in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.