HDP: Gerichtsurteil gegen Demirtaş ist gänzlich politisch

Ein Gericht in Ankara hat entschieden, dass der kurdische Politiker Selahattin Demirtaş in Haft bleibt. Die HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Sezai Temelli bezeichnen das Urteil als „gänzlich politisch“ motiviert.

Das 19. Strafgericht Ankara hat am Freitag das vor elf Tagen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gefasste Urteil zur Unrechtmäßigkeit der Untersuchungshaft des ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş verhandelt. Die Freilassung des kurdischen Politikers wurde abgelehnt, Demirtaş bleibt im Gefängnis.

Als Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP) haben Pervin Buldan und Sezai Temelli die Entscheidung des Gerichts in Ankara als offene Verletzung der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt.

In der Erklärung der beiden Parteivorsitzenden heißt es: „ Das 19. Strafgericht Ankara hat seine Entscheidung aus gänzlich politischen Gründen auf Druck des Staatspräsidenten Erdoğan und der Exekutive getroffen. Wie bereits bei der Verhaftung von Demirtaş und den anderen Abgeordneten unserer Partei hat das Gericht keine juristische Entscheidung getroffen, sondern eine politische.

Zu behaupten, dass das EGMR-Urteil noch nicht rechtskräftig ist und außerdem dazu eine schriftliche Anfrage beim Justizministerium zu stellen, ist ein unrechtmäßiges Manöver, mit dem Zeit gewonnen werden soll. In dieser gewonnenen Zeit soll das Berufungsgericht das zu erwartende Urteil gegen Demirtaş bestätigen.

Die Justiz hat ein weiteres Mal Politik gemacht und ist dem Druck der Exekutive gefolgt.“

Die angekündigte „Gegenoffensive“ Erdoğans

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat die Türkei im Fall Selahattin Demirtaş am 20. November wegen Verstoßes gegen Artikel 18 der europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt. Dieser Artikel verbietet, jemanden aus politischen Motiven zu inhaftieren. Demirtaş und weitere Abgeordnete der HDP sitzen seit über zwei Jahren in Untersuchungshaft.

Die Rechtsanwälte von Demirtaş hatten nach der Urteilsverkündung beim zuständigen Gericht in Ankara Haftverschonung beantragt. Der türkische Staatschef Erdoğan hatte hingegen erklärt, das EGMR-Urteil als nicht bindend zu betrachten und eine „Gegenoffensive“ angekündigt. Als Mitglied des Europarats ist die Türkei zur Umsetzung der Urteile des EGMR verpflichtet.

Die HDP hatte in hinsichtlich der Freilassung ihres ehemaligen Vorsitzenden darauf hingewiesen, dass das Rechtswesen der Türkei vor einer neuen Prüfung stehe: „Es kann entweder zeigen, dass es internationale rechtliche Prinzipien, internationale Abkommen und internationale Institutionen, in denen die Türkei Mitglied ist, als bindend erachtet, oder es zeigt, dass es sich nicht für rechtliche Prinzipien und internationale Abkommen interessiert und Artikel 90 der Verfassung nicht anerkennt“, so die HDP-Vorsitzenden in ihrer Stellungnahme vom 20. November.