Die Farbe Orange, die Farbe der Seenotrettung, dominierte das äußerliche Erscheinungsbild der Demonstration, die sich am Freitagabend vom Arrivati-Park im Schanzenviertel zum Fischmarkt auf St. Pauli bewegte. Mehr als 4500 Menschen teilten ihre gemeinsame Wut auf die herrschenden Zustände, trotz der kurzen Vorlaufzeit der Demo, zu welcher erst Anfang der Woche aufgerufen wurde.
Der tödliche Rassismus wächst überall in Europa
„Jeden Tag, auch jetzt im Moment, sind Boote auf dem Mittelmeer Richtung Europa unterwegs. Viele geraten in Seenot. Aber die Menschen in den Booten, die vor Krieg, Verfolgung, Vergewaltigung, Versklavung oder Hunger fliehen, werden keine Hilfe erhalten. Über 600 Menschen sind allein im Juni ertrunken, weil Italien, Malta und die anderen EU-Staaten die Schiffe der Rettungsorganisationen am Auslaufen hindern und die Crews kriminalisieren. So geht das Sterben im Mittelmeer immer weiter.
Die EU-Länder überbieten sich gegenseitig in ihrer Abschottung und ihrer Hetze: Sowohl gegen Geflüchtete und Migranten als auch gegen die solidarischen Menschen und Organisationen, die das menschlich Selbstverständliche tun und den Ertrinkenden Hilfe leisten. Der tödliche Rassismus wächst überall in Europa“, so lauten Auszüge aus dem Aufruf der Demonstration.
Das Problem in dieser Gesellschaft hat einen Namen. Es heißt nicht Flucht, es heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus.
Zur Auftaktkundgebung am Arrivati-Park verlasen verschiedene Stimmen aus unterschiedlichen Gruppen ihre Stellungnahmen. Heiko Habbe vom Fluchtpunkt Hamburg ließ verlauten: „Es ist Zeit, dass die Debatte in Deutschland umsteuert. Es ist Zeit, dass wir deutlich machen, dass wir weiter für eine humane und weltoffene Gesellschaft eintreten. Denn das Problem in dieser Gesellschaft hat einen Namen. Es heißt nicht Flucht, es heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus. Und dem Vordringen von Rassismus und Menschenfeindlichkeit müssen wir entgegentreten: Stop Racism!“
„Die größte Fluchtursache ist der globale Kapitalismus“
Emily Laquer von der Interventionistischen Linken spracht in ihrem Redebeitrag deutlich die Ursache der Probleme an: „Ein großer Teil der Fluchtursachen entsteht auch hier. Die Kriegswaffen verkaufen deutsche Konzerne, das Klima und die Lebensgrundlagen in globalen Süden werden hier zerstört. Die allergrößte Fluchtursache, über die kaum jemand spricht, ist der globale Kapitalismus!“
Es wird dazu aufgerufen, sich zu positionieren und zu handeln
„Die Geschichtsbücher werden kein gutes Wort über diejenigen verlieren, die jetzt für Recht und Ordnung eintreten, die Gesetze mit ihrer tödlichen Konsequenz verteidigen. Das ist ein Aufruf zum Ungehorsam! Zum Sturz dieses Grenzregimes. Eine Rekrutierung. Lasst uns die Anti-Abschiebe-Industrie sein, die Dobrindt so fürchtet. Es gibt keinen neutralen Boden. Jeder muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht.“
Nicht offene Grenzen sind das Problem, sondern geschlossene
Die Demonstration endete am Hamburger Fischmarkt. Dort wurden eine Schweigeminute für die Opfer abgehalten und Blumen dem Wasser übergeben. Auf der anschließenden Abschlusskundgebung gab es weitere Redebeiträge, wie der eines Menschen, der als Retter auf der Aquarius hilft, dem Schiff, das kürzlich eine unbeschreibliche Irrfahrt hinter sich gebracht hat, da Italien und Malta sich weigerten, die Häfen zu öffnen und somit über 600 Menschen, gerade erst dem Tod entkommen, erneut in akute Lebensgefahr brachten.
„We’ll come united“ rief dazu auf, sich dem Rassismus vereint gegenüber zu stellen, sich gegen Ausgrenzung und Kriegsunterstützung einzusetzen und Solidarität praktisch werden zu lassen. Die Initiative, bestehend aus Personen aus verschiedenen sozialen, antirassistischen und politischen Netzwerken, ruft weiterhin zur großen antirassistischen und solidarischen Parade auf, die am 29. September in Hamburg stattfinden wird (https://www.welcome-united.org/de/well-come-united/).
Anschließend gab es noch eine spontane Rede eines Mitglieds der Gruppe „Lampedusa in Hamburg", welche er als ein Plädoyer für Menschlichkeit und ein solidarisches Miteinander hielt: Ein sehr kraftvolles Statement, das dazu aufrief, zu kämpfen, bis alle ein Leben in Würde führen können.