Hamburg: Gedenken an den rassistischen Mord an Ramazan Avcı

Am Donnerstagabend versammelten sich 100 Menschen in Hamburg an der Landwehr, wo am 24. Dezember 1985 der 26-jährige Ramazan Avcı von Faschisten vor ein Fahrzeug getrieben wurde und ums Leben kam.

Mit Redebeiträgen der Familien und Freund*innen auch anderer rassistischer Mordopfer – Halit Yozgat, Oury Jalloh, Süleyman Taşköprü, Semra Ertan und der beim Möllner Brandanschlag betroffenen Familie Arslan oder den zehn Opfern des Lübecker Brandanschlages 1996 – entstand eine kämpferische und dennoch einfühlsame Atmosphäre mit der Betonung des Gemeinsamen.

Das Problem bei den Morden ist und bleibt der Rassismus in Institutionen und Gesellschaft und die fehlende Empathie.

Ibrahim Arslan, Überlebender des Möllner Anschlages 1992, brachte in seinem Beitrag die Doppelzüngigkeit in Deutschland zur Sprache. Er stellte eine Reihe von Forderungen, die er mit dem türkischen Sprichwort "Bıcak Kemıkde - Das Messer ist am Knochen. - Es reicht!" unterstrich. Er schloss: "Es gibt keine religiös motivierten Taten, es gibt immer rassistisch oder faschistisch motivierte, aus reinem Hass. Daher fordern wir eine antifaschistische und antirassistische Gesellschaft! - Bıcak Kemıkde - Das Messer ist am Knochen."

Cana Bilir-Meier, eine Nichte von Semra Ertan, las einige Gedichte ihrer Tante, die sich 1982 im Alter von 28 Jahren in Hamburg aus Verzweiflung und Protest gegen den Rassismus auf offener Straße verbrannt hatte:

Ratschlag

Du Kind, Jugendlicher, Mädchen oder Junge,
Lasst euch nicht unterdrücken,
Lasst nicht zu, dass euch die Traumbilder von den Wimpern,
Dass sie euch den Namen von der Seele,
Dass sie euch die Stimme aus den Ohren stehlen.
Liebe soll es geben in jedem Menschen,
Für dich!
Deine Worte sollen verletzen, den, der dich nicht mag.
Kämpft!
Eure Waffen sollen eure Worte sein.
Tötet nicht! Verletzt nur!
Solange euch der Kampf nicht mutlos macht,
Solange ihr den Mut nicht verliert,
Seid ihr stark.
Solange der Feind nicht besiegt
Und der Hass nicht weniger wird,
Müsst ihr Widerstand leisten!

(Semra Ertan, 1980)

Die anschließende Rede der türkischen Vize-Konsulin wurde von vielen Anwesenden als Heuchelei wahrgenommen. Protest blieb aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen und Überlebenden jedoch aus.

Ein Redner des „Hamburger Bündnisses gegen Rechts" ging auch auf den jüngsten faschistischen Anschlag vor einigen Tagen an der S-Bahn Station Veddel in Hamburg ein und zeigte auf, dass der festgenommene Tatverdächtige bereits 1985 zum Umfeld von Ramazan Avcıs Mördern zählte. Die Polizei bestreitet bisher - wie schon bei den NSU-Morden - einen rechten Terroranschlag.

Es hat sich noch nichts geändert.